NSU

Unter Kameraden

Objekt der Verehrung? Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe Foto: dpa

Fragt man einen mehrfach verurteilten rechtsextremen Gewalttäter nach seiner Meinung zum NSU-Terror, dann lautet die Antwort: »Bei so vielen Türken, die hier leben, sorgen acht Leute, die man umbringt, mit Sicherheit nicht für einen Bevölkerungsschwund. Mit drei Leuten kann man schließlich keine ganze Bevölkerungsgruppe auslöschen.«

Was der Mann sagt, ist eine verbreitete Einstellung in der rechtsextremen Szene. Ein persönlicher Weggefährte von Ralf Wohlleben aus Jena, dem mutmaßlichen Mitverschwörer des NSU, der die Mordpistole für das Trio besorgt haben soll, sagte kurze Zeit nach dem Auffliegen der Terrorzelle: »Die haben ja das umgesetzt, von dem die meisten anderen in der Szene nur träumen, weil sie selbst zu feige sind, es ihnen gleichzutun. Aber grundsätzlich sehnen viele eine Endlösung für Ausländer herbei.«

sympathie An dieser Grundhaltung hat sich auch seit dem Auffliegen des NSU-Terrors nichts geändert. Allerdings ist der staatliche und gesellschaftliche Druck gewachsen, dem Neonazis inzwischen begegnen. Um die Repression nicht weiter zu steigern, wird die Solidarität mit dem NSU in der Regel nur informell geäußert. Die offizielle Sprachregelung, etwa die der rechtsextremen NPD, zieht sich stets auf eine massive Systemkritik zurück: Dort nährt man die Verschwörungstheorien, dass der Verfassungsschutz selbst ein NSU-Komplott inszeniert habe, also die Schuldigen der Mordserie beim Staat zu suchen seien – und nicht auf der Anklagebank des Münchner Landgerichts.

Eine Haltung, die längst außerhalb der rechtsextremen Szene anschlussfähig ist – und mit einer schleichenden Solidarisierung mit den mutmaßlichen Tätern einhergeht. Vor allem im Internet finden derlei Theorien großen Zuspruch. Etwa in dem Blog des populistischen Publizisten Jürgen Elsässer, der die »Entlastung Zschäpes« auch damit begründet, dass »die türkische Mafia und türkische Agenten mitgemischt« hätten.

innenminister Unterdessen haben die Innenminister Brandenburgs, Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens zuletzt sieben rechtsextreme Zusammenschlüsse verboten, die sich vor allem aus Mitgliedern des bundesweit agierenden Neonazinetzwerks »Nationaler Widerstand« rekrutieren. Innerhalb dieses Zusammenschlusses war Ralf Wohlleben besonders aktiv.

Über Jahre hat er deutschlandweit die Kontakte gehalten, die in der Wechselwirkung immer wieder zurückliefen, vor allem zu den ehemaligen Aktivisten des »Thüringer Heimatschutzes«, zu denen neben ihm auch die mutmaßlichen Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehörten.

Wohlleben gilt inzwischen die meiste Solidarität der Szene. Vor allem in jenen Städten in Westdeutschland, wo der »Nationale Widerstand« stark ist – und wo der NSU getötet hat: in Nürnberg, München, Hamburg und Dortmund. Nach seiner Inhaftierung im November 2011 hatte sich der Terrorverdächtige Wohlleben mit einem Brief an den »Nationalen Widerstand Dortmund« (NWDO) gewandt, der im dortigen Autonomen Zentrum, dem Treffpunkt der lokalen Szene, zur Ansicht an der Wand hing. Darin schrieb Wohlleben: »Liebe Dortmunder Kameraden, vielen Dank für Eure Grüße zum Julfest und den damit verbundenen Wünschen für das neue Jahr. Gerne gebe ich diese Wünsche an alle Dortmunder Aktivisten zurück. Euch sei auch für die Briefmarken gedankt! Mit aufrechten Grüßen – Ralf Wohlleben.«

reliquien Der NWDO ist einer der rechtstextremen Zusammenschlüsse, die verboten wurden. Der zur Schau gestellte Brief des mutmaßlichen Terroristen wurde bei der Verbotsrazzia vor einem Jahr gefunden. Er kann als Beleg dafür verstanden werden, dass sich die Dortmunder Gruppe mit dem NSU solidarisch erklärt. In dem Ausstellungsraum dieses zur Reliquie stilisierten Briefes hatte noch kurz zuvor der Neonazi Martin Wiese vor lokalen Aktivisten gesprochen.

Wiese hatte eine Haftstrafe wegen der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags bei der Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums in München 2003 verbüßt. Gewalttätern, die aus rassistischen oder antisemitischen Motiven handeln, gilt in der rechtsextremen Szene stets Solidarität und Anerkennung.

Heilbronn/Heidelberg

Geständnisse zu Anschlagsplan auf Synagoge erwartet

Zwei junge Männer tauschen sich in Chats über mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Heidelberg und Frankfurt am Main aus. Nun sitzen sie auf der Anklagebank

von Martin Oversohl  15.11.2024

Berlin

Polizei-Bilanz: 6241 Straftaten auf israelfeindlichen Demos

Dazu wurden 3373 Tatverdächtige ermittelt

 15.11.2024

Washington D.C.

TV-Mann, Milliardär, Radikale: So soll Trumps Team aussehen

Fernsehtauglichkeit, stramme Gefolgschaft und Geld spielen eine Rolle. Wer hat in Washington bald das Sagen?

von Christiane Jacke, Magdalena Tröndle  15.11.2024

Berlin

Kritik an Ausgrenzung von israelischem LGBT-Verband

Der Verband hatte vorgeschlagen, eine Konferenz in Tel Aviv abzuhalten und wurde daraufhin suspendiert

 15.11.2024

Deutschland

BKA warnt vor »Belagerung« israelischer Botschaften

Die Terroristen der Hamas rufen auf Telegram zu Gewalt auf

 15.11.2024

Justiz

Antisemitischer Schlachtruf wird Fall für BGH 

Die rechtliche Bewertung der Parole »From the river to the sea, palestine will be free« fällt je nach Gericht unterschiedlich aus. Eine höchstrichterliche Klärung gibt es nicht - noch nicht

 14.11.2024

USA

Bekommt Trump seinen Wunschkandidaten als Justizminister?

»Wie ein Sechsjähriger mit einem geladenen Revolver«: So beschreibt ein Parteikollege Matt Gaetz

von Christiane Jacke, Magdalena Tröndle  14.11.2024

Michael Thaidigsmann

Borrells letztes Gefecht

Der scheidende EU-Außenbeauftragte fordert die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel. Damit dürfte er kläglich scheitern

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024

Interview

»Man muss sich schon mal fragen, was das gebracht hat«

Der Europaabgeordnete Moritz Körner über den nachlässigen Umgang der EU bei Transferzahlungen an die Palästinenser, den Außenbeauftragten Josep Borrell und dessen Nachfolgerin Kaja Kallas

von Michael Thaidigsmann  14.11.2024