Im vergangenen Jahr war Jérôme Boateng Botschafter der European Maccabi Games (EMG) in Berlin. Nun hat ihm ein führender AfD-Politiker bescheinigt, »die Leute« in Deutschland wollten den Fußballer nicht als Nachbarn haben. Für Boateng ist das nichts Neues.
»Ich habe Rassismus erlebt, ich habe Ausgrenzung erlebt, ich habe Vorurteile erlebt«, schrieb er im Grußwort zu den EMG. Schaue ich mir die Diskussion an, in die er ohne sein Zutun verwickelt wurde, macht es mich umso glücklicher, dass es uns vor einem Jahr gelungen ist, Jérôme Boateng als Botschafter für die EMG zu gewinnen.
Gauland Doch es fällt auf, dass es fast zu leicht ist, sich mit Boateng zu solidarisieren. Schließlich ist er ein prominenter Nationalspieler. Der größere Skandal in der Aussage des AfD-Politikers Gauland liegt doch in der Tatsache, dass er recht hätte, wenn er den rassistischen Missstand nur beschriebe. Doch seine Partei feuert den Rassismus ja an.
Selbst im 21. Jahrhundert, in unserem so friedlichen und gut situierten Deutschland, muss man davon ausgehen, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung rassistisches Gedankengut pflegen. Wie wir aus wiederkehrenden Studien wissen, entspricht dies ungefähr dem Anteil der Gesellschaft, der auch keine Juden in der Nachbarschaft haben möchte.
Solidarität Jérôme Boateng, der als Profi von Bayern München zu den Gutverdienern gehört, ist als Nachbar beliebt, hört man jetzt. Aber wie weit geht es mit der Solidarität bei den unbekannten Opfern von Rassismus? Bei denen, die nicht viel Geld haben und auch nicht so gut kicken können?
Und wie weit ist die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft, die sich jetzt für Boateng und gegen Gauland ausspricht, auch dazu bereit, die Rassisten von AfD, Pegida & Co. zu bedrängen und unter Druck zu setzen, sie ins Abseits der Gesellschaft zu stellen? Denn an dieser Frage entscheidet sich letztlich, ob der Einfluss von 20 Prozent Rassisten und Antisemiten dieses Land zu einem schlechten Land machen kann.