Feiertage

Unser gutes Recht

Am Schabbat oder an den in der Tora erwähnten Feiertagen sollten Jüdinnen und Juden keine Prüfungen ablegen müssen. Foto: picture-alliance / ZB

Anlässlich der Feiern zum Jubiläum »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, das 2021 begangen wurde, bezeichneten viele Rednerinnen und Redner den Wiederaufbau eines jüdischen Gemeindelebens hierzulande nach dem Holocaust ganz stolz als ein »Geschenk«.
Die Diskriminierungen von Jüdinnen und Juden, die ihre Religion und Traditionen offen leben wollen, fielen jedoch unter den Tisch. Dabei existieren sie.

Laut der Studie »Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland« gaben 61 Prozent der Befragten an, sich 2019 aufgrund ihrer Religion benachteiligt oder ausgegrenzt gefühlt zu haben.
Konkret heißt dies: Jüdinnen und Juden sehen sich am Arbeitsplatz, an Hochschulen und in anderen Bereichen des täglichen Lebens wiederholt mit Hindernissen konfrontiert, wenn es darum geht, Schabbat zu halten oder wichtige Feiertage zu begehen. Die eigene Religion zu praktizieren, kann demnach erhebliche negative Auswirkungen auf Studium und Karriere haben.

grundgesetz Dabei garantiert Artikel 4 des Grundgesetzes auch Jüdinnen und Juden ein verfassungsmäßiges Recht auf Glaubensfreiheit. Zudem gibt es entsprechende Urteile auf europäischer und nationaler Ebene, die die Rücksichtnahme auf den Schabbat oder jüdische Feiertage sichern sollen. Rein juristisch gesehen existiert also kein einziger Grund, warum Juden immer wieder betteln, flehen oder kämpfen müssen, um ihr verbrieftes Grundrecht wahrzunehmen.

Und dennoch, selbst dort, wo das Problem erkannt wurde, kommen Lösungen wie alternative Prüfungstermine nicht zustande, weil sie nur als individuelle Ausnahmen und nicht auf einer klaren gesetzlichen Grundlage gewährt werden. Aber die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Proteste gegen diskriminierende Maßnahmen durchaus etwas bewirken können.

Ein Beispiel ist die Entscheidung der Universität Bochum, dass jüdischen Studierenden für alle Prüfungen an jüdischen Feiertagen Ausweichtermine angeboten werden müssen. Jüngst teilte die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main mit, dass nach ihrer Beschwerde Termine für Abiturprüfungen im kommenden Jahr, die mit den Pessachfeiertagen kollidiert wären, verschoben wurden.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Proteste gegen Diskriminierungen etwas bewirken können.

Feiertagsrecht und Religionspolitik sind Ländersache. In manchen Feiertagsgesetzen sind die jüdischen erwähnt, in anderen nicht oder nur teilweise. Das Tikvah Institut hat daher in Zusammenarbeit mit Rechts- und Religionsexperten sowie politischen Entscheidungsträgern umfassende Empfehlungen zur Modifizierung von Gesetzen und Verordnungen erarbeitet.

ergänzungen Diese betreffen diskriminierende Praktiken und zeigen, welche Ergänzungen des Beamten- und öffentlichen Dienstrechts, der schul- und hochschulrechtlichen Regelungen, der Feiertagsgesetze und des Ladenschlussgesetzes noch nötig sind.

Die Empfehlungen müssen für die einzelnen Bundesländer spezifiziert werden. Deshalb wurde nun ein erstes Papier für Nordrhein-Westfalen verfasst, das diese Woche Grundlage für eine Diskussion mit Landtagsabgeordneten in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf war. Die existierenden Feiertagsgesetze schützen fast nur den Gottesdienstbesuch und verkennen so den lebensweltlich viel umfassenderen Charakter der 13 jüdischen Feiertage mit ihren Arbeitsruhegeboten, die in der Tora erwähnt werden.

Wie kann das Problem gelöst werden? Ausgangspunkt jeder Neuregelung des Feiertagsrechts muss die komplette Anerkennung der Tatsache sein, dass es für Jüdinnen und Juden ein Recht ist, ihr Judentum zu praktizieren, und nicht etwa eine Gefälligkeit, die zudem noch abhängig ist vom zufälligen Kenntnisstand eines Beamten über das Judentum sowie der Anwendung christlich eingefärbter Vorschriften.

bittsteller Denn genau das bringt uns immer wieder in die Position von Bittstellern. Erst wenn dieser Zustand beendet ist, können Jüdinnen und Juden unbeeinträchtigt in Deutschland leben, ohne einen Druck zu verspüren, die eigene Identität immer wieder verstecken zu müssen.

Deshalb müssen Gesetze geändert werden. Dabei ist die Lösung eigentlich ganz einfach: Am Schabbat und an den 13 jüdischen Feiertagen soll keine Jüdin und kein Jude arbeiten oder Prüfungen ablegen müssen. Wäre dieses Prinzip bundesweit gesetzlich fixiert, wüssten auch Arbeitgeber und Prüfungsämter Bescheid, und praktiziertes Judentum müsste nicht mehr im Widerspruch zur vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stehen.

Der Ausgang dieser Debatte wird entscheiden, wie selbstverständlich und präsent jüdisches Leben in Deutschland künftig sein darf. Wird der Gesetzgeber bereit, die nötigen gesetzlichen Änderungen vorzunehmen? Und wie schnell und umfassend werden sie sein? Man darf also gespannt sein, ob in Nordrhein-Westfalen bald neue Maßstäbe für jüdische Religionsfreiheit gesetzt werden.

Die Autorin ist Gesellschafterin des Tikvah Instituts.

Umfrage

Deutschlandtrend: Streit um AfD-Stimmen schadet Union nicht

Im ARD-Deutschlandtrend liegt die Union stabil vorne. Auch sonst hat sich wenig verändert gegenüber den Werten der Vorwoche - trotz der Aufregung im Bundestag

 06.02.2025

Stuttgart

Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Teilnahme an Bildungsmesse

Der geplante AfD-Stand bei Europas größter Bildungsmesse didacta in Stuttgart sorgt auch beim Zentralrat der Juden in Deutschland für Kritik

von Norbert Demuth  06.02.2025

Berlin

Prozess gegen mutmaßliche Hamas-Mitglieder

Die Terrororganisation Hamas ist nicht nur im Gaza-Streifen aktiv. Demnächst stehen vier mutmaßliche Mitglieder vor Gericht, die sich laut Bundesanwaltschaft um Waffenlager in Europa kümmerten

 06.02.2025

Raubkunst

Ministerin Roth rechnet im Streit um Welfenschatz mit rascher Klärung

Es geht um die Frage, ob der 1929 von jüdischen Kunsthändlern erworbene Schatz 1935 unter den Nazis verfolgungsbedingt zwangsweise verkauft wurde

 06.02.2025

Horst Köhler

Er hörte zu, er fragte nach

Bei dem kürzlich verstorbenen Altbundespräsidenten war immer zu spüren: Jüdisches Leben in Deutschland war ihm ein Herzensanliegen

von Maram Stern  06.02.2025

Nahost

Trump: »Keine US-Soldaten« benötigt

Der amerikanische Präsident verstrickt sich bei der Erklärung seiner Ideen für Gaza in Widersprüche

 06.02.2025

Schönefeld

Leichnam von Jamshid Sharmahd in der Bundesrepublik angekommen

Die sterblichen Überreste des Deutsch-Iraners sollen in Cottbus einer Autopsie unterzogen werden – sechs Monate nach seiner Exekution in Teheran

 06.02.2025

München

Ludwigs-Maximilian-Universität verweigert Francesca Albanese Hörsaal

Ein Vortrag der umstrittenen UN-Sonderberichterstatterin für die Palästinensergebiete an der Münchner Universität wurde abgesagt

von Michael Thaidigsmann  06.02.2025

Stuttgart

Schüler, Eltern und Lehrer empört über AfD-Stand bei Bildungsmesse

Der geplante AfD-Stand auf der »didacta« in Stuttgart sorgt für viel Kritik. Nach Gewerkschaften warnen nun auch Schüler-, Eltern- und Lehrerverbände vor »Demokratiefeinden«

 06.02.2025