Gedenken

»Unser Erinnern versagt zu oft«

Piotr Cywinski über den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Auschwitz-Birkenau

von Gabriele Lesser  05.12.2019 12:30 Uhr

Piotr Cywinski Foto: J. Praszkiewicz/www.auschwitz.org

Piotr Cywinski über den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Auschwitz-Birkenau

von Gabriele Lesser  05.12.2019 12:30 Uhr

Herr Cywinski, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Freitag zum ersten Mal das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besuchen. Was erwarten Sie von der Kanzlerin?
Es liegt mir fern, irgendetwas von der Kanzlerin zu erwarten. Aber der Hintergrund des Treffens ist tatsächlich ein finanzieller. Vor zehn Jahren, als die Stiftung gegründet wurde, gingen wir davon aus, dass wir mit den Zinsen auf das 120-Millionen-Stammkapital die laufenden Restaurierungskosten begleichen könnten. Aber dann kam die Finanzkrise, und die Erträge sanken. Von allen Regierungen, die unsere Stiftung unterstützen, reagierte die deutsche als erste auf unseren Bericht und bot 60 Millionen Euro zur Erhöhung des Stammkapitals an.

Hatte die Bundesrepublik nicht schon 2009 angekündigt, 60 Millionen Mark in den Fonds einzuzahlen?
Ja, diese Summe wurde auch einbezahlt. Jetzt geht es um eine zweite Zahlung. 30 Millionen wird der Bund übernehmen und weitere 30 Millionen die Länder.

Haben Sie auch andere Regierungschefs oder Staatsoberhäupter zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung eingeladen?
Nein, wir hatten mit Kanzlerin Merkel abgesprochen, dass sie am zehnten Jahrestag die Erhöhung des Stammkapitals in Auschwitz bekanntgeben wird. In anderthalb Monaten begehen wir den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau, zu dem zahlreiche Präsidenten und Regierungschefs kommen werden.

An diesem Tag werden noch einmal viele Überlebende aus aller Welt anreisen, um ihre Geschichte zu erzählen. Wie aber wird unser Erinnern in einigen Jahren aussehen – ohne die Überlebenden?
Das ist eine schwierige Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Aber schon heute – zu Lebzeiten der Auschwitz-Opfer – versagt unser Erinnern nur zu oft. So etwa im Angesicht der Massaker in Birma oder des Hasses vieler Europäer gegen syrische Flüchtlinge, nicht zuletzt des Antisemitismus weltweit. Was oft fehlt, ist die Verantwortung für unsere heutige Welt, die sich aus dem Erinnern an frühere Verbrechen ergibt.

Sollten die Deutschen auch Kosten für die Instandhaltung anderer ehemaliger Nazi-KZs übernehmen?
In den anderen Gedenkstätten fallen weniger Restaurierungskosten an, weil die SS-Männer vor ihrer Flucht fast alle Gebäude gesprengt hatten. Es geht auch nicht um die Errichtung neuer Mahnmale oder Museen. Was aber nottut, ist eine nachhaltige Bildungsarbeit vor Ort. Dafür braucht es Seminargebäude, Schulungen für Guides, Bildungs- und Informationsmaterial für Kinder und Erwachsene sowie eine intensive Zusammenarbeit mit den Medien. All das kostet Geld.

Mit dem Direktor der Stiftung und der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sprach Gabriele Lesser.

Nahost

Was hat Israels Angriff auf den Iran gebracht?

Eine Analyse von Michael Wolffsohn

von Michael Wolffsohn  01.11.2024

Auswärtiges Amt

Deutsche sollen Iran verlassen, um Geiselhaft zu vermeiden

Nach der Hinrichtung von Djamshid Sharmahd findet ein Sprecher deutliche Worte

 01.11.2024

Pandemie-Aufarbeitung

Virologe Streeck vergleicht Corona-Ungeimpfte mit Juden

»Es wurden Schuldige gesucht, wie es bei der Pest mit den Juden gemacht wurde und bei HIV mit den Homosexuellen«, so Streeck

 01.11.2024

Deutschland

Außenministerin Baerbock schließt alle iranischen Generalkonsulate

Die Bundesregierung reagiert damit auf die Hinrichtung von Djamshid Sharmahd

 31.10.2024

Australien

Thom Yorke stellt Störer zu Rede

Der Konzertteilnehmer hatte den Sänger aufgefordert, sich zum Gaza-Krieg zu positionieren

 31.10.2024

Düsseldorf

Überraschender Wechsel: Löhrmann wird Beauftragte gegen Antisemitismus

Sie folgt auf Ex-Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die im November 2018 als erste Antisemitismusbeauftragte von NRW ihr Amt antrat

von Andreas Otto  31.10.2024

Zeitz

Herausgerissene Stolpersteine werden Ende November ersetzt

Am 7. Oktober wurden sämtliche Stolpersteine in der sachsen-anhaltinischen Stadt herausgerissen und gestohlen

 31.10.2024

Meinung

Können Juden noch SPD wählen?

Nach dem antizionistischen Post von Aydan Özoğuz fordert David Rosenberg seine Partei auf, klare Konsequenzen zu ziehen

 30.10.2024

Libanon

Hisbollah-Chef angeblich offen für Kriegsende

Naim Kassim sei unter den richtigen Bedingungen bereit für Frieden. Welche das sind, verrät er nicht

 30.10.2024