Drei Jahre sind vergangen, seit die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« ihre Aufgabe, ehemalige osteuropäische NS-Zwangsarbeiter zu entschädigen, offiziell für erledigt erklärte. Voreilig sei dies, kritisierten damals manche Beobachter – und nun gibt es erstmals auch Stimmen in der deutschen Wirtschaft, die sich diesem Urteil offenbar anschließen. Angesichts von Schätzungen der Jewish Claims Conference (JCC), wonach die Hälfte der 517.000 noch jüdischen NS-Opfer unter der Armutsgrenze leben, schlagen einzelne Akteure aus Unternehmen vor, die offiziell abgeschlossenen Entschädigungsbemühungen der Stiftung wiederaufzunehmen.
Verantwortung Sichtbar wurde dies jüngst bei den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung in Berlin. Der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums und Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, hielt nicht die erwartete Festrede, sondern formulierte einen überraschenden Appell: »Die Arbeit, unser aller Arbeit, ist nicht zu Ende.« Er sei in Sorge, »dass alles Erreichte gefährdet ist, wenn es nicht gelingt, in gemeinsamer Verantwortung den letzten Überlebenden von KZ-Haft und anderen unmenschlichen Verbrechen zu ermöglichen, ihre letzten Lebensjahre in Würde zu verbringen«. Es sei »unerträglich zu wissen, dass die Opfer der Schoa ihre letzten Tage in sozialer Not verbringen müssen«.
Kommt es also zu einem neuen Anlauf der deutschen Wirtschaft? Bis zu 100.000 Überlebende leben der JCC zufolge heute nicht nur in Armut, sondern sind auch dringend pflegebedürftig. Vor allem um sie geht es bei den Gesprächen um eine neue Anstrengung der deutschen Wirtschaft, die bereits in den Wochen vor den Feierlichkeiten zum zehnjährigen Stiftungs-Jubiläum in loser Folge stattgefunden haben – und weiter andauern.
Sammelklage Rein juristisch können Unternehmen kaum mehr zu Zahlungen gezwungen werden: Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft gaben über die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« von 2001 bis 2007 insgesamt 4,4 Milliarden Euro für 1,66 Millionen Menschen aus, um aussichtsreiche Sammelklagen vor US-Gerichten abzuwehren. Mit Gründung der Stiftung wurden zwar hohe Hürden und strenge Fristen geschaffen, an denen mancher hochbetagte Zwangsarbeiter scheiterte. Doch durch die juristische Ausgestaltung der Stiftung ist der Rechtsweg für viele Betroffene nun versperrt.
An der Finanzierung der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« beteiligte sich im Jahr 2000 die Bundesregierung zur Hälfte. Heute, zehn Jahre später, möchte das Finanzministerium den Vorschlag eines neuen Anlaufs nicht bewerten. Es gäbe derzeit keine Initiative der Bundesregierung, diese »persönliche« Idee einzelner Wirtschaftsvertreter auszuführen, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit. Dass man zumindest aufseiten der Privatwirtschaft neue Bewegung beobachten könne, begrüßt Georg Heuberger, der Repräsentant des JCC in Deutschland.