Bundestag

Union und Ampel einigen sich auf Antrag gegen Antisemitismus

Plenarsitzung im Deutschen Bundestag Foto: picture alliance/dpa

Nach langen, strittigen Verhandlungen hat sich die Koalition mit der Unionsfraktion auf einen Text für einen Antrag zur Ächtung und Bekämpfung von Antisemitismus geeinigt. In einer gemeinsamen Mitteilung der Fraktionen heißt es, der Antrag mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« solle in der kommenden Woche im Deutschen Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Er ist zwar nicht rechtsverbindlich, dürfte aber dennoch politische Wirkung entfalten. 

Eine entsprechende Resolution als Antwort auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 war bereits für den 9. November des vergangenen Jahres geplant, den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Über zwei Entwürfe – einen der Unionsfraktion sowie einen der Ampelfraktionen – hatte es seinerzeit keine Einigung gegeben. Der Zentralrat der Juden hatte das als beschämend bezeichnet.

»Klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen«

»Mit dem Antrag setzen wir ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen«, betonten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konstantin Kuhle (FDP), Konstantin von Notz (Grüne), Dirk Wiese (SPD) und Andrea Lindholz (Union) in einer gemeinsamen Erklärung am Samstag in Berlin.

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Der Text des Antrags verurteilt alle Formen des Antisemitismus und fordert die Bundesregierung sowie Länder und Kommunen zu konkreten Maßnahmen im Kampf gegen Judenhass auf.

»Seit dem grausamen Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sehen wir in Deutschland Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau«, heißt es darin. Die Entwicklung sei »sowohl auf einen zunehmend offenen und gewalttätigen Antisemitismus in rechtsextremistischen und islamistischen Milieus als auch auf einen relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus zurückzuführen«.

Die beteiligten Fraktionen halten in dem Antrag zudem fest: «In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.»

Gleichzeitig seien antisemitische Verschwörungstheorien sowie völkisches Denken auf dem Vormarsch. All dies führe zu einer massiven Verunsicherung unter Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Bundesregierung soll sich für Israels Sicherheitsinteressen einsetzen

Die Bundesregierung solle sich weiterhin «aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel» einsetzen, heißt es in dem Text weiter. An die Bundesregierung geht zudem die Aufforderung, sich gegenüber Ländern und Kommunen dafür einzusetzen, dass sie bei Entscheidungen, etwa über die Förderung bestimmter Projekte, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als maßgeblich heranziehen.

Die IHRA hält unter anderem fest, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus «auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten» können. Kritik an Israel, die mit der Kritik an anderen Ländern vergleichbar sei, wird nicht als antisemitisch betrachtet. 

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Nach Informationen dieser Zeitung kam es rund ein Jahr lang nicht zu einer Einigung auf einen Resolutionsentwurfs, weil die Grünen die international anerkannte IHRA-Antisemitismusdefinition ablehnten.

Konkret schlägt der Resolutionsentwurf nun vor, dass es keine staatliche Förderung von Antisemitismus geben dürfe. Es müsse sichergestellt werden, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert würden, die Antisemitismus verbreiteten, das Existenzrecht Israels infrage stellten, zum Boykott Israels aufriefen oder die in Zielen und Handlungen antisemitische BDS-Bewegung aktiv unterstützten. Die gegen Israel gerichtete Bewegung »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen« (BDS) wird vom Bundesverfassungsschutz als extremistischer Verdachtsfall geführt.

Betätigungsverbot von BDS prüfen

Zudem müssten Gesetzeslücken geschlossen und repressive Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden, heißt es. Dies gelte in besonderem Maße im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht. Nach dem Betätigungsverbot für die Terrororganisation Hamas sollen weitere extremistische Organisationen überprüft und verboten werden. »Dazu zählt, dass auch ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland geprüft wird.«

Länder, Bund und Kommunen sollen, soweit noch nicht erfolgt, »rechtssichere, insbesondere haushälterische Regelungen erarbeiten, die sicherstellen sollen, dass keine Projekte und Vorhaben insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden«. Die Antisemitismusskandale der vergangenen Jahre – das Papier nennt ausdrücklich die documenta in Kassel und die Berlinale im Februar 2024 – »müssen umfassend aufgearbeitet werden«.

Die Resolution spricht sich außerdem dafür aus, Schulen und Hochschulen darin zu unterstützen, durch Anwendung des Hausrechts antisemitische Übergriffe zu ahnden, zum Beispiel durch Ausschluss vom Unterricht oder gar der Exmatrikulation.

Auch auf den Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen gehen die Verfasser ein. Israel habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe zu verteidigen und damit die anerkannte Pflicht, seine Bürger unter Wahrung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen vor Terror zu schützen, heißt es in dem Text. dpa/kna/ja

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