Hannover

Unbekannte werfen an Jom Kippur Fenster der Synagoge ein

Ein Einsatzwagen der Polizei am Mittwochabend vor dem Eingangstor der Synagoge in Hannover Foto: picture alliance/dpa

Unbekannte haben am Mittwochabend während eines Gottesdienstes offenbar einen Anschlag auf die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover verübt. Dabei warfen der oder die Täter nach Angaben der Gemeinde mit einem Stein oder einem anderen harten Gegenstand ein Fenster ein. Ein Polizeisprecher bestätigte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass ein Fenster beschädigt sei. Die Beamten hätten noch am Abend die Ermittlungen aufgenommen. Der Staatsschutz ermittelt.

Neue Erkenntnisse gebe es noch nicht, teilten die Beamten am Donnerstagmorgen mit. Im Laufe des Tages werde aber mit weiteren Informationen gerechnet, sagte eine Polizeisprecherin auf Anfrage.

beter In der Synagoge hielten sich nach Angaben der Gemeinde zu diesem Zeitpunkt rund 150 bis 200 Beter auf, um den Abschluss des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur zu feiern. Verletzt wurde niemand. Der Vorfall erinnert an den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren, der ebenfalls an Jom Kippur begangen wurde.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Gegen 19 Uhr hätten die Anwesenden einen Schlag an einem Fenster an der Frauenempore gehört, sagte der Vorsitzende der Gemeinde und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, dem epd. Etwa in dortiger Kopfhöhe sei ein Gegenstand eingeschlagen – insgesamt in sechs Metern Höhe. Im Bleiglas klaffe dort jetzt ein Loch in der Größe eines DINA4-Blattes. Der Gegenstand konnte noch nicht gefunden werden. Vermutlich sei er zurück ins Freie geprallt.

»Das ist schockierend für die Gemeinde. Es ist das erste Mal in Hannover, dass so etwas passiert«, sagte Fürst. Die Anwesenden seien zunächst sehr aufgeregt gewesen, hätten den Gottesdienst dann aber noch zu Ende gefeiert. »Es spricht viel dafür, dass jemand über den Zaun geklettert ist«, sagte Fürst. Diesen zu überwinden, koste einiges an Kraft: »Das können keine Kinder gewesen sein.«

Rabbiner Shlomo Afanasev war am Mittwoch zum Gottesdienst in der Synagoge. Er sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Wir hörten ein lautes Geräusch von der Frauenempore und dachten erst, jemand sei umgefallen.« Der Gottesdienst sei nicht unterbrochen worden, und die meisten Menschen hätten erst hinterher mitbekommen, dass etwas vorgefallen war. Afanasev hatte das zuvor bereits auf Instagram geschrieben: »Wir werden das Fenster reparieren. Und uns weiter bemühen, die Gemeinde zu einem warmen, inspirierenden und einladenden Ort zu machen. Ich möchte das Geschehene nicht verharmlosen, dennoch waren solche kriminellen Taten oft unsere geschichtlichen Begleiter. Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden weiterbauen: unsere Gemeinden, unsere Familien, das Judentum in Deutschland.«

reaktionen Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte, sie sei erschüttert. »Es geht hier nicht nur um ein kaputtes Fenster. Es geht hier um einen Eingriff in den sensibelsten Kern der Religionsausübung.« Der Vorfall sei ein »hässliches Zeichen für den zunehmenden Antisemitismus in unserem Land«. Dem werde sich Niedersachsen auch weiterhin entgegenstemmen.

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland erklärte in München, es sei »schockierend und traurig zugleich, wie trotz Sicherheitsvorkehrungen immer unverhohlener und hemmungsloser jüdisches Leben mitten in Deutschland angegriffen wird«. Die Attacke reihe sich in einen besorgniserregenden Trend ein: »Mit großer Sorge erfüllt uns, dass solche Angriffe nicht nur weiter zunehmen, sondern auch in immer kürzeren Abständen geschehen. In einem Teil der Gesellschaft hat sich ein gefährlicher antisemitischer und antiisraelischer Cocktail zusammengebraut, gegen den jeder in diesem Land mit Herz und Verstand ankämpfen muss, damit jüdisches Leben und die Religionsfreiheit auch weiterhin eine Zukunft haben.«

Beim Anschlag in Halle hatte ein Rechtsextremist am 9. Oktober 2019 versucht, mit Waffengewalt in die dortige Synagoge einzudringen. Er scheiterte jedoch an einer Sicherheitstür. Kurz darauf erschoss er in der Nähe der Synagoge zwei Menschen und verletzte zwei weitere.

Nach dem Anschlag von Halle hatten sich die jüdischen Gemeinden in Niedersachsen mit der Landesregierung nach langen Verhandlungen darauf verständigt, die Sicherheitseinrichtungen zu verstärken. Die Arbeiten an der Synagoge in Hannover sollen demnächst beginnen. epd/dpa/kna

Diplomatie

Israel kritisiert deutschen Botschafter Seibert nach X-Post

Der deutsche Botschafter in Israel äußerte sich zu einem Bericht, nach dem im Gazastreifen Neugeborene an Unterkühlung gestorben seien

 27.12.2024

Nahost

UN-Chef ruft Israel und Huthi-Terrormiliz zu Deeskalation auf

António Guterres nennt die neuesten israelischen Luftangriffe »besonders alarmierend«

 27.12.2024

Bundeswehr

Kamerad Rabbiner

Seit 2021 sind jüdische Seelsorger großflächig im Einsatz. Der Bedarf ist enorm, die Lage angespannt. Unterwegs mit den Militärrabbinern Oleg Portnoy und Nils Ederberg

von Helmut Kuhn  26.12.2024

Anschlag von Magdeburg

»Radikalisierung mit Extremismusbezügen nach rechts«

Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer verortet Tatverdächtigen im rechtsextremen Spektrum

 24.12.2024

Berlin-Schöneberg

Chanukka-Leuchter umgestoßen

Polizei: Zwei Arme der Chanukkia am Bayerischen Platz beschädigt – der Staatsschutz ermittelt

 24.12.2024

Taleb A.

Was über den Attentäter von Magdeburg bekannt ist

Er galt den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Islamkritiker, kämpfte für Frauenrechte und arbeitete als Arzt. Aber es gab auch eine andere Seite

 23.12.2024

Polen

Staatssekretär: »Würden Netanjahu bei Teilnahme an Auschwitz-Gedenkfeier verhaften«

Eine Auschwitz-Überlebende bringt wegen der polnischen Haltung einen Boykott der Gedenkfeier ins Spiel

 23.12.2024

Umfrage

Vertrauen in den Zentralrat der Juden vergleichsweise hoch

Laut einer Forsa-Umfrage ist das Vertrauen in den Zentralrat der Juden in Deutschland in der Gesellschaft höher als das in die Kirchen

 23.12.2024

Extremismus

Terrorexperte Peter Neumann fordert neue Täter-Kategorie

Nach dem Anschlag von Magdeburg: In Deutschland werde über Terroristen in allzu starren Kategorien gedacht

 23.12.2024