Rund sechs Wochen vor der Nationalratswahl in Österreich scheinen alle Zeichen auf einen Triumph der rechten FPÖ hinzudeuten. In Umfragen liegt die Partei seit Monaten mit rund 27 Prozent stabil auf Platz eins - etwa vier bis fünf Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ.
Doch damit ist noch lange nicht gewiss, dass der als Scharfmacher verschriene FPÖ-Chef Herbert Kickl neuer Kanzler der Alpenrepublik wird. Die ÖVP als wohl einziger möglicher Koalitionspartner hat eine Zusammenarbeit mit Kickl - aber nicht mit der FPÖ als solcher - ausgeschlossen. Am 29. September sind rund 6,4 Millionen Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen.
Eine spannende Rolle kommt Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen zu. Der 80-jährige ehemalige Grünen-Chef hat mehrfach betont, dass er nicht unbedingt den Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragen muss. »Der Bundespräsident ist völlig frei, jemanden mit der Regierungsbildung zu beauftragen«, sagt der Verfassungsrechtler der Universität Innsbruck, Peter Bußjäger.
Entscheidender Einfluss
Eine Begründung zur Verhinderung einer FPÖ-geführten Regierung könne sein, dass das Staatsoberhaupt auf einem dezidiert EU-freundlichen Kabinett bestehe, sagt Bußjäger. Die FPÖ ist ausgesprochen EU-kritisch.
Staatsoberhaupt hat entscheidenden Einfluss auf Regierungsbildung
Die Bundesverfassung macht das österreichische Staatsoberhaupt mächtiger als zum Beispiel den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Van der Bellen könne auch eine Koalition oder einzelne Minister ablehnen, so Bußjäger. Wichtig sei, dass er seine Schritte gut begründe und nicht so wirke, als handle er aus persönlicher Antipathie.
Am Ende des Tages zähle, dass eine Regierung - und sei es ein Bündnis aus sogar drei Parteien - über eine stabile Mehrheit im Nationalrat verfüge. »Würde eine Regierung sofort wieder vom Parlament gestürzt, dann hätten wir eine Staatskrise«, sagt Bußjäger.
Skandal-Zitat zur Waffen-SS
Gerade Kickl wird von Kritikern Rechtsextremismus vorgeworfen. Unlängst wurde bekannt, dass er sich 2010 in einer TV-Diskussion geweigert hatte, die SS als verbrecherische Organisation zu bezeichnen: »Da werden wir uns nicht darauf verständigen können, dass ein Verein als solcher oder eine Einheit wie die Waffen-SS kollektiv schuldig zu sprechen ist«, sagte er damals gegenüber gegenüber dem damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant.
Im Jahr 2016 hielt Kickl eine Rede vor der rechtsextremen Burschenschaft »Arminia Czernowitz«.
Zwei Jahre später erklärte der damalige Innenminister, man solle Asylbewerber an einem Ort »konzentrieren«. Diese Aussage führte zu weltweiter Empörung. Später sagte er, dies habe »nichts mit der Sprache der Nazis zu tun«, da er das Wort »Lager« nicht verwendet habe. dpa/ja