Eine aktuelle Veranstaltungsreihe an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee sorgt derzeit für große Empörung. In dem Online-Programm mit dem Titel »School for Unlearning Zionism« in der zur Kunsthochschule gehörenden Kunsthalle am Hamburger Platz (KHHP) werden einen ganzen Monat lang – noch bis Ende Oktober – Vorträge, Workshops, Filmabende und Gesprächsrunden zu Themen wie »From Balfour: Not all of us are in« oder »Challenging Zionism: Alternative Paths in Israel/Palestine« angeboten. Sämtliche Veranstaltungen finden auf Englisch statt.
Viele der Referenten, so die Kritik, sind bekannt für ihre Nähe zur antisemitischen und israelfeindlichen Boykott-Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen). Die BDS-Bewegung ruft immer wieder zu allumfassenden Boykott‐Aktionen gegen den jüdischen Staat auf.
Besonders pikant: Die Kunsthochschule Weißensee wirbt auf ihrer Website explizit mit der Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
STEUERGELDER Der Grünen-Politiker Volker Beck kritisiert die »Veranstaltung aus dem BDS-Umfeld« als »propagandistischen Ungeheuerlichkeit«. Im Rahmen der Meinungsfreiheit müsse man vieles ertragen, so der Lehrbeauftragte am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien CERES an der Ruhr-Universität Bochum. »Das auch. Aber mit Steuergeldern darf man dieses Antizionismusspektakel nicht finanzieren! Auch nicht indirekt!«
In einem Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek fragt Beck: »Wie würde es die Bundesregierung empfinden, wenn ausländische Ministerien Veranstaltungen zum Abtrainieren deutscher Kultur und Zugehörigkeit finanzieren würden? Wie vereinbart das Ministerium die Finanzierung dieser Veranstaltung mit dem Anti-BDS-Beschluss des Bundestages?«
»Wie vereinbart das Ministerium die Finanzierung dieser Veranstaltung mit dem Anti-BDS-Beschluss des Bundestages?«
Volker Beck, Grünen-Politiker
Auch für die israelische Botschaft in Berlin steht die Veranstaltung im Widerspruch zum Anti-BDS-Beschluss des deutschen Parlaments. »Gegenüber der Delegitimierung Israels und Antisemitismus sollte es heute in Deutschland keine Toleranz geben. Einen Workshop zu veranstalten, dessen Titel bereits die Existenzgrundlage Israels negiert, ist eine Umarmung des Antisemitismus«, hieß es aus der Botschaft.
»Die von der Bundesregierung angenommene Arbeitsdefinition der IHRA für Antisemitismus nennt als Beispiel ›das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung‹. Diese Veranstaltungsreihe fällt unter diese Definition und sollte als das erkannt werden, was sie ist: antizionistisch und antisemitisch.«
STELLUNGNAHMEN Die Weißenseer Hochschule wehrte sich am Freitag gegen die Vorwürfe. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Jüdischen Allgemeinen heißt es, Veranstaltungen und sonstige Aktivitäten würden »von den Lehrenden selbstständig und in Eigenverantwortung konzipiert und durchgeführt«. Die »Auseinandersetzung mit unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Positionen ohne Denkverbote« sei Bestandteil wissenschaftlicher und künstlerischer Ausbildung.
»Seitens der Hochschule findet auch keine Überprüfung von Referent_innen hinsichtlich ihrer persönlichen oder politischen Einstellungen statt, die – wie in diesem Fall von Gastprofessoren der Hochschule – zu Vorträgen eingeladen werden.«
Die Weißenseer Hochschule wehrte sich am Freitag gegen die Vorwürfe.
Und weiter heißt es: »Die weißensee kunsthochschule berlin hält sich zudem an den Bundestagsbeschluss ›Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen‹ vom 15.05.2019 (veröffentlicht als Drucksache 19/10191) und an die Entschließung der Hochschulrektorenkonferenz-Mitgliederversammlung vom 19.11.2019 ›Kein Platz für Antisemitismus‹.« Eine Bewertung der derzeit stattfindenden Veranstaltung im Rahmen dieser offiziellen Leitlinie ließ die Sprecherin offen. Sie betonte zudem, die besagte Veranstaltung werde »nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert«.
BMBF Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erklärte zur Finanzierung Folgendes: Die Weißenseer Kunsthochschule Berlin erhalte eine Förderung im Rahmen des Vorhabens »Verstetigung und Weiterentwicklung des fachgebietsübergreifenden Lehrbereichs ›Kunstvermittlung, Visualisierung und Präsentation‹« im »Qualitätspakt Lehre«. Die Weißensee Kunsthochschule Berlin habe mitgeteilt, dass »die besagte Veranstaltung (…) nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert« werde. »Das BMBF nimmt den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 17. Mai 2019 sehr ernst und berücksichtigt ihn«, so die Sprecherin. ksh