Kiew/Berlin

Ukraine fordert eigenes Mahnmal für NS-Opfer

Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Berlin Foto: imago images / photothek

Kurz vor dem Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs kritisiert der Botschafter der Ukraine in Deutschland eine mangelnde Sensibilität in der deutschen Erinnerungskultur. »Wir Ukrainer sind sehr enttäuscht, dass der Bundestag unsere Bitte abgelehnt hat, eine Gedenkstätte in Berlin für die ukrainischen NS-Opfer zu errichten, obwohl gleichzeitig ein gesonderter Erinnerungsort für polnische Kriegsopfer etabliert wurde«, sagte Andrij Melnyk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag).

Die Ukrainer würden sich für ihre polnischen Freunde freuen, könnten aber die »doppelten Standards der deutschen Gedenkpolitik nicht nachvollziehen«, teilte Melnyk mit. Er fügte hinzu, dass über sechs Millionen Ukrainer gegen Hitler-Deutschland in der Roten Armee gekämpft hätten, dazu weitere 250.000 in den Streitkräften der Alliierten, um Europa von der Nazi-Gewaltherrschaft zu befreien. Über drei Millionen von ihnen fielen auf dem Schlachtfeld oder wurden als Kriegsgefangene misshandelt und umgebracht.

»Insgesamt«, so Melnyk, »verloren mindestens acht Millionen Einwohner der Ukraine durch den deutschen Vernichtungs- und Versklavungskrieg ihr Leben.« Darunter über fünf Millionen Zivilisten – einschließlich der 1,6 Millionen ukrainischen Juden, die ermordet wurden.

zwangsarbeiter Außerdem seien über 2,3 Millionen Ukrainer als Zwangsarbeiter ins Dritte Reich verschleppt worden, wo sie als »Untermenschen versklavt und ausgebeutet« wurden. Melnyk kritisierte, dieser enormen menschlichen Verluste sei man sich in der deutschen Öffentlichkeit kaum bewusst. Der bestehende weiße Fleck in der deutschen Erinnerungskultur müsse »dringend und ehrlich aufgearbeitet« werden. Deshalb fordere die Ukraine vom deutschen Parlament »eine gerechte Entscheidung, ein eigenes Mahnmal an prominenter Stelle in der Bundeshauptstadt zu erschaffen, um die Millionen ukrainischen Nazi-Opfer zu würdigen«.

Als Hauptschauplatz des Zweiten Weltkriegs ist die Ukraine bis 1944 von der Wehrmacht besetzt und verwüstet worden. Mit der Verweigerung eines eigenen Mahnmals werde die Völkerverständigung gefährdet und »ein absolut falsches Signal nach Kiew gesendet«, sagte Melnyk und forderte: »Diese fragwürdige Vogel-Strauß-Politik muss korrigiert werden.«

Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Zugleich markiert das Datum das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa. Die Ukraine gedenkt am 8. Mai der Kriegsopfer, Russland und mehrere andere Staaten der ehemaligen Sowjetunion feiern am 9. Mai den Tag des Sieges, darunter Belarus, Armenien, Georgien und Aserbaidschan.

Im vergangenen Herbst hatte der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, einen Realisierungsvorschlag für einen Erinnerungsort vorzulegen, an dem der Opfer der NS-Herrschaft in Polen gedacht wird. In einem weiteren Votum sprachen sich die Parlamentarier mehrheitlich für die Errichtung einer umfassend ausgerichteten Gedenk- und Bildungsstätte zum deutschen Vernichtungskrieg und zu den Verbrechen der Besatzung im Zweiten Weltkrieg aus. In beiden Fällen beraten derzeit Experten über die Umsetzung der Beschlüsse. kna

Washington D.C.

Trump-Berater: Hamas darf keine Rolle in Gaza spielen

Als Sicherheitsberater stand Mike Waltz früh für Trumps neue Regierung fest. In einem Podcast skizziert er schon einmal die Stoßrichtung der USA in Bezug auf die Lage in Nahost

 15.01.2025

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025