In den kommenden Tagen werden Juden Pessach, die Befreiung aus der Sklaverei, feiern; Christen durchleben vor Ostern die Passion Jesu. Ein guter Zeitpunkt, die Haltung der christlichen Kirchen gegenüber dem Staat Israel und dem jüdischen Volk zu analysieren.
Vor wenigen Wochen erklärte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, in einem Interview mit der in Würzburg erscheinenden katholischen Zeitung Die Tagespost, die Existenz Israels habe »als solche nichts mit der Bibel zu tun«. Twal verglich die Lebensumstände der Christen in Israel mit der Leidensgeschichte Jesu: »Wir Christen vergessen nie, dass sogar unser Herr selbst in Jerusalem gelitten hat und verspottet wurde.«
Synode Twals Zurückweisung der religiösen und historischen Ansprüche Israels auf das Heilige Land ist für katholische Würdenträger nichts Neues. Auf der Synode des Vatikans zum Nahen Osten im Jahr 2010 erklärten die Bischöfe, »wir Christen können nicht von einem verheißenen Land für das jüdische Volk sprechen«. »Es gibt kein auserwähltes Volk mehr«, sagte Erzbischof Cyrille Salim Bustros, der vom Papst ernannt worden war, die Conclusione der Synode auszuarbeiten.
Er erweckte die jahrhundertealte Verleumdung wieder zum Leben, nach der Juden für alle Zeiten zu einer Existenz im »kosmischen Exil« verdammt seien. »Die Idee des verheißenen Landes kann nicht als Rechtfertigung für die Rückkehr der Juden nach Israel und die Verdrängung der Palästinenser dienen.« Ähnlich äußerte sich Elias Chacour, der katholische Erzbischof von Israel: »Wir glauben nicht mehr, dass die Juden das auserwählte Volk sind.«
Dies ist der gleiche wahnhafte Wortschatz wie der des mittelalterlichen Judenhasses von Norwich. Die Attacke des Erzbischofs auf Israel war kein isoliertes Ereignis. Sie wurde in der endgültigen Botschaft der Synode noch einmal bekräftigt. Unter der Überschrift »Kooperation und Dialog mit den Juden« wurde das Argument vorgebracht, »der Rückgriff auf theologische und biblische Positionen, die das Wort Gottes falsch auslegen, um Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen«, sei nicht hinnehmbar.
Der bösartige Gebrauch des Ausdrucks »auserwählte Juden« spornte die Pogrome, die Vertreibung der spanischen Juden und den Antisemitismus Martin Luthers an. Der Gründer des Protestantismus argumentierte, die Juden seien nicht länger das auserwählte Volk, sondern »das Volk des Teufels«.
Feindschaft Auch die orthodoxen Kirchen im Osten sind von dieser theologischen Feindschaft durchdrungen. »Die modernen Juden sind nicht das auserwählte Volk Gottes«, erklärte der inzwischen verstorbene Führer der koptischen orthodoxen Kirche Ägyptens, Papst Shenouda III., während eines Treffens mit dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter. »Glaubt ihren Behauptungen nicht, sie seien das auserwählte Volk Gottes, denn es ist nicht wahr.«
Richtig ist, dass einige Evangelikale keine große Neigung an den Tag legen, ihre missionarischen Aktivitäten unter Juden einzustellen. Doch die Feindschaft gegenüber Israel und den Juden, die durch die großen Institutionen wie den Ökumenischen Rat der Kirchen und den Vatikan befördert wird, stellt eine weit größere unmittelbare Bedrohung für Juden dar als alles, was die evangelikalen Christen vertreten.
Die anglikanische Kirche unterzog ihre Investitionen in Firmen, die irgendetwas mit der Präsenz Israels in den besetzten Gebieten zu tun haben, einer Überprüfung. Die Methodist Church of Great Britain rief vor Kurzem zum Boykott von Waren aus jüdischen Siedlungen im Westjordanland auf. Alle fünf großen Konfessionen in den Vereinigten Staaten – Methodisten, Presbyterianer, die Episkopalkirche, Lutheraner und die United Church of Christ – überlegen, keine Investitionen mehr in Israel zu tätigen, bestehende zurückzuziehen und den jüdischen Staat zu boykottieren.
Völkerrecht Obwohl in den USA Millionen christlicher Unterstützer Israels leben, finden diese antijüdischen Kirchen viel größere Resonanz in der öffentlichen Meinung, den Medien, bei den Vereinten Nationen und bei internationalen Völkerrechtstribunalen. Der Ökumenische Rat der Kirchen, eine protestantische Dachorganisation, die ihre Mitgliedschaft auf 580 Millionen Gläubige schätzt, publizierte 2007 den »Aufruf von Amman«, in dem Israel das Recht verweigert wird, weiter als jüdischer Staat zu bestehen.
Es scheint, dass die Kirchen, einschließlich der katholischen, jener Dämonologie neues Leben einhauchen, die Juden jahrhundertelang in der Osterzeit kriminalisierte. Es obliegt Papst Benedikt, Wiedergutmachung zu leisten für das, was die Kirche dem jüdischen Volk angetan hat, indem er die einzigartige Rolle und Stellung der Juden und Israels in dieser Welt anerkennt. Entscheidet sich die Kirche dagegen, könnte der Eindruck entstehen, der Vatikan und die protestantischen Kirchenführer machten einen riesigen Schritt zurück in finstere Zeiten.
Der Autor ist Redakteur der italienischen Zeitung »Il Foglio« und Autor des Buches »A New Shoah. The Untold Story of Israel’s Victims of Terrorism«.