Likes für Antisemitismus

TU-Präsidentin gesteht Fehler ein

Geraldine Rauch, Präsidentin der TU-Berlin, markierte antisemitische »X«-Posts mit »Gefällt mir«-Klicks. Foto: picture alliance/dpa

TU-Präsidentin Geraldine Rauch ging auf Tauchstation, als Kritik an ihren Likes für antisemitische Tweets laut wurde. Ihr X-Profil wurde erst auf privat gestellt, später gelöscht. Die Pressestelle der Technischen Universität Berlin reagierte nicht auf Medienanfragen.

Doch erst, nachdem Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra öffentlich geäußert hatte, dass sie eine »klare Erwartung« an die Universitätsprofessorin habe, den »Sachverhalt öffentlich klarzustellen«, brach Rauch ihr Schweigen.

Uni-Präsidentin will Hakenkreuz-Bilder nicht gesehen haben

»Ich habe auf der Plattform X einige Tweets ›geliked‹, welche die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen, die aber antisemitischen Inhalts oder Ursprungs sind. Von den antisemitischen Inhalten oder Autor*innen der Tweets möchte ich mich klar distanzieren«, erklärte Geraldine Rauch am Mittwochnachmittag in einer Pressemitteilung.

Lesen Sie auch

Ein Like sorgte für besonders große Aufregung: Die TU-Präsidentin gab einem Tweet ihr »Gefällt mir«, in dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuzen beschmiert wurde. Die Figur soll angeblich bei einer türkischen Demonstration für einen Waffenstillstand im Gazastreifen gezeigt worden sein.

Türkische Demonstranten malen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Hakenkreuze auf die Brust. Der TU-Präsidentin gefällt dasFoto: Screenshot

Geraldine Rauch will das Bild mit den Hakenkreuz-Schmierereien nicht gesehen haben. »Insbesondere habe ich einen Tweet wegen seines Textes geliked und habe das darunter gepostete Bild zum Zeitpunkt des Likes tatsächlich nicht genauer betrachtet – für mich stand das schriftliche Statement mit dem Wunsch für einen Waffenstillstand im Vordergrund«, teilte sie mit.

»Ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte«

Dann räumt die Uni-Präsidenten einen Fehler ein: »Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, dass ich den Tweet nicht geliked hätte, wenn ich die antisemitische Bildsprache aktiv wahrgenommen hätte oder wenn ich mich mit dem Account des Verfassers beschäftigt hätte. Dies war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte, da dieses Bild Symbole nutzt und Gleichsetzungen verwendet, die ich mir nicht zu eigen mache und die ich entschieden ablehne.«

Geraldine Rauch wolle sich »besonders bei den Mitgliedern der TU Berlin« entschuldigen. »Die mir gemachten Vorwürfe nehme ich ernst und war in deren Folge im Austausch mit Antisemitismusforscher*innen und jüdischen Menschen«, beteuert sie.

TU-Präsidium nennt Like »inakzeptablen Fehler«

Das Präsidium der Technischen Universität, bestehend aus Stephan Völker, Fatma Deniz und Lars Oeverdieck kritisierte Rauch für ihr Verhalten auf X scharf. »Dort hat sie einen Tweet geliked, der eindeutig antisemitisch ist. Das ist ein inakzeptabler Fehler«, heißt es in der Mitteilung.

»Von dieser Handlung und von jeglichem Antisemitismus distanzieren wir uns entschieden. An unserer Universität darf dafür kein Platz sein. Wir stehen dabei in einer besonderen Verantwortung und sehen für uns eine wichtige und herausgehobene Vorbildfunktion nach innen und außen, der wir alle nachkommen müssen und wollen«, betont das Präsidium.

Welche Konsequenzen aus dem Skandal gezogen werden sollten, ließ das Präsidium aber offen. Geraldine Rauch kündigte an, sie wolle »entsprechend handeln«, sollte es in Zukunft zu einer Uni-Besetzung kommen. Heißt: Sie will im Amt bleiben.

Präsidentin wurde erster Fall für neuen Antisemitismusbeauftragten

Erst am Montag wurde Uffa Jensen zum Antisemitismusbeauftragten der Technischen Universität ernannt. Ausgerechnet der Skandal um die eigene Präsidentin gehört nun zu seinen ersten Fällen.

Er habe mit Geraldine Rauch »ein intensives Gespräch über diese Likes geführt«, teilte Uffa Jensen mit. »Wir sind uns einig, dass das Liken des Tweets mit dem Foto des israelischen Ministerpräsidenten (vom 12.5.2024) inakzeptabel und falsch war«, so Jensen, der seit 2018 am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU arbeitet.

»Es kann keinen Zweifel geben, dass es sich hierbei um ein sehr aggressives, antisemitisches Hassbild handelt. Insbesondere die blutrünstige Entstellung von Mund und Augen sowie die Hinzufügung von ebenso roten Hakenkreuzen macht es eindeutig antisemitisch«, sagte der Antisemitismusbeauftragte zu dem Bild, auf dem Ministerpräsident Netanjahu mit Hakenkreuzen beschmiert wurde.

»Völkermord«-Behauptung für Jensen »nicht per se antisemitisch«

Geraldine Rauch hatte darüber hinaus einen Kommentar geliked, in dem behauptet wird, Israel würde einen Völkermord an den Palästinensern begehen. In einem weiteren Tweet, der Rauchs Gefallen fand, wird behauptet, Israel begehe Kriegsverbrechen.

Uffa Jensen arbeitet seit 2018 am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität BerlinFoto: IMAGO/Funke Foto Services

Für Uffa Jensen sind beide Begriffe »aus wissenschaftlicher Sicht nicht per se antisemitisch«. Es bleibe »eine legitime Meinungsäußerung, diese Begriffe für die gegenwärtige Kriegssituation zu verwenden. Zugleich kann ich als Antisemitismusforscher nachvollziehen, dass Juden und Jüdinnen und insbesondere Israelis die Nutzung dieser Begriffe als höchst problematisch, feindselig und verletzend empfinden.«

Der Antisemitismusbeauftragte beruft sich dabei auf die von ihm unterzeichnete »Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus«, der zufolge etwa die BDS-Bewegung genauso wenig antisemitisch ist wie Israel einen »Apartheidstaat« zu nennen.

Die Behauptung, dass Israel einen Völkermord in Gaza verübt, gehört zum Standardrepertoire der Antisemiten. Auch diesen Tweet versah Geraldine Rauch mit einem Like

International anerkannt ist jedoch die Antisemitismusdefinition der IHRA, die israelbezogenen Antisemitismus schärfer in den Blick nimmt.

Ihr zufolge gilt etwa der Völkermordvorwurf gegen Israel gilt als antisemitisch, weil er doppelte Standards anwendet und das Land dämonisiert. Tatsächlich trifft die israelische Armee mehr Vorsichtsmaßnahmen als andere Armeen, um die Leben Unschuldiger zu schützen. Mit dem Krieg in Gaza wird die Terrororganisation Hamas bekämpft und nicht das palästinensische Volk.

Uffa Jensens Ernennung zum Antisemitismusbeauftragten der TU Berlin wurde von jüdischen Organisationen wie dem Zentralrat der Juden oder der Jüdischen Studierendenunion unter anderem genau deshalb kritisiert, weil er ein Gegner der IHRA-Definition ist.

Diese Kritik wurde von einem X-Nutzer als »Verleumdung« bezeichnet. Auch dieser Tweet bekam ein Like von Geraldine Rauch. Dazu äußerten sich die TU-Präsidentin und ihre Kollegen jedoch nicht.

Berlin

Gewaltbereite Israelfeinde planen Aufzug am 1. Mai

Die Behörden sehen viel Gewaltpotential. Sie wollen Tausende Polizeibeamte einsetzen

von Imanuel Marcus  23.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  23.04.2025

Reaktionen

Freund und Bruder Franziskus – Juden verabschieden sich vom Papst

Mit Wärme und Respekt würdigen Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und weltweit den Papst. Nicht immer war das Verhältnis von katholischer Kirche und Judentum aber einfach, etwa nach dem 7. Oktober 2023

von Leticia Witte  23.04.2025

Uni-Besetzungen

Felix Klein fordert Antisemitismusbeauftragten für Berliner Hochschulen

Nachdem israelfeindliche Aktivisten einen Hörsaal der Humboldt-Universität verwüstet hatten, macht der Antisemitismusbeauftragte Druck beim Senat

 23.04.2025

Washington D.C./Jerusalem

Trump beschwört »völlige Einigkeit« zwischen USA und Israel

»Das Gespräch lief sehr gut. Wir stehen in allen Fragen auf der gleichen Seite«, erklärt der amerikanische Präsident nach einem Telefonat mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

 23.04.2025

Umfrage

AfD erreicht historischen Höchstwert

Die in großen Teilen rechtsextremistische Partei überholt erstmals die Union

 23.04.2025

80 Jahre Kriegsende

Als der Krieg vorbei war - Die Deutschen und der lange Schatten der NS-Herrschaft

Der 8. Mai 1945 war der Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Der Krieg war für die Deutschen vorbei, aber das Erbe des Nationalsozialismus lastete weiter auf ihnen

von Jürgen Prause  22.04.2025

Berlin

Uni-Präsidentin: »Besetzung und Zerstörung war genau geplant«

Während der Pessach-Feiertage richteten israelfeindliche Aktivisten in der Humboldt Universität viel Zerstörung an

 22.04.2025

Meinung

Am Beispiel Israels den eigenen Weg finden

In Deutschland sollte ein Ableger der Gedenkstätte Yad Vashem entstehen, findet Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung

von Felix Klein  22.04.2025