In der Debatte um die Nachfolge der verstorbenen Obersten US-Richterin Ruth Bader Ginsburg könnte die republikanische Mehrheit im Senat knapp werden. Während Präsident Donald Trump und die Fraktionsführung ungeachtet des nahenden Wahltermins eine baldige Abstimmung anvisierten, forderte die republikanische Senatorin Susan Collins, die Entscheidung dem Wahlsieger zu überlassen. Ihre Kollegin Lisa Murkowski hat sich ähnlich geäußert. Trump kündigte indessen an, eine Frau zu nominieren.
Ginsburg galt als Ikone liberaler Rechtssprechung und war am Freitag im Alter von 87 Jahren gestorben. Über die Nachfolge entscheidet der Senat auf Vorschlag des Präsidenten. Die Republikaner verfügen dort über 53 der 100 Stimmen, also eine nur knappe Mehrheit, bei der sie sich nur wenige Abweichler leisten können.
SCHEINHEILIGKEIT Vor gut vier Jahren hatte sich ihr Mehrheitsführer Mitch McConnell geweigert, den Personalvorschlag des damaligen Präsidenten Barack Obama für die Nachfolge des im Februar 2016 verstorbenen konservativen Richters Antonin Scalia überhaupt zu debattieren.
Sein Argument: In nur knapp neun Monaten sei Wahl und die Wählerinnen und Wähler sollten erst einen neuen Präsidenten bestimmen. Diesmal will McConnell dagegen abstimmen lassen, obwohl es nur noch gut sechs Wochen bis zur Wahl sind. Die Demokraten warfen ihm deshalb Scheinheiligkeit vor.
Trump hatte erst vor einigen Tagen 20 mögliche Kandidaten und Kandidatinnen für das Oberste Gericht genannt.
Auch Trump drückte aufs Tempo. Der Senat solle unverzüglich über seinen Vorschlag entscheiden, twitterte er. Auf einer Wahlkampfkundgebung in North Carolina kündigte er an, eine »sehr talentierte, sehr geniale Frau« zu benennen. Wer das sein werde, wisse er aber selbst noch nicht.
UMKÄMPFT Trump hatte erst vor einigen Tagen 20 mögliche Kandidaten und Kandidatinnen für das Oberste Gericht genannt. Chancenreich sind nach Angaben von Beratern die Bundesberufungsrichterinnen Amy Coney Barrett, die bei Konservativen besonders beliebt ist, die Latina Barbara Lagoa aus dem bei Wahlen oft umkämpften Florida und Allison Jones Rushing, die unter anderem für den inzwischen ins Oberste Gericht aufgestiegenen Neil Gorsuch gearbeitet hat.
Zum Zeitplan sagte Trump: »Wir haben viel Zeit, wir haben eine Menge Zeit. Wir reden über den 20. Januar.« - An diesem Tag wird der im November gewählte Präsident vereidigt. Damit signalisierte Trump, dass er mit einer Senats-Abstimmung über die Ginsburg-Nachfolge auch noch nach der Wahl einverstanden wäre.
Trumps Herausforderer Joe Biden forderte, der Sieger der Wahl solle die Ginsburg-Nachfolge regeln.
McConnell hat offengelassen, ob er über einen Trump-Vorschlag vor oder nach der Wahl abstimmen lassen wird, bei der der Präsident sein Amt und die Republikaner ihre Mehrheit im Senat verlieren könnten. Weil ihre Amtszeiten aber noch bis Januar laufen, könnten sie selbst nach einer Wahlniederlage noch eine konservative Richterin installieren.
FAIRNESS Trumps Herausforderer Joe Biden forderte, der Sieger der Wahl solle die Ginsburg-Nachfolge regeln. »Die Wähler sollten den Präsidenten auswählen, der Präsident sollte den Richter auswählen, den der Senat prüft«, sagte Biden.
Zumindest die Republikanerin Collins hatte er dabei auf seiner Seite. Aus Fairness gegenüber dem amerikanischen Volk solle der Senat erst nach der Wahl über einen Personalvorschlag befinden, der vom dann gewählten Präsidenten komme, forderte Collins, die am 3. November als Senatorin von Maine auch selbst zur Wahl steht. Sie verwies darauf, dass Mitglieder des Obersten Gerichts lebenslang amtieren.
Murkowski hatte kurz vor Ginsburgs Tod gesagt, sie würde vor dem 20. Januar nicht über ein neues Mitglied am Obersten Gericht abstimmen wollen. Danach hat sie sich allerdings noch nicht wieder geäußert. dpa