Er verweist regelmäßig auf seine zum Judentum übergetretene Tochter Ivanka, deren jüdischen Ehemann Jared Kushner und die drei Enkelkinder, um Vorwürfe des Antisemitismus zu entkräften. Auch inszeniert sich Donald Trump als Beschützer Israels und erinnert an die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem während seiner Präsidentschaft 2018.
Gleichzeitig bedient er negative Vorurteile gegen Juden, die in den USA nur 2,4 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Trump stellt sie oft mit Israel gleich, statt sie als Amerikaner jüdischen Glaubens zu bezeichnen. Das empfinden viele als ausgrenzend und respektlos.
Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus im Jahr 2018 sprach er darüber, wie sein evangelikaler Vizepräsident Mike Pence »euer Land« liebt. Zwei Jahre später versicherte Trump den amerikanisch-jüdischen Führern bei einer Rosh-Haschana-Ansprache, dass »wir Euch wirklich schätzen; wir lieben euer Land.« Im März dieses Jahres behauptete der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, dass »jeder Jude, der für die Demokraten stimmt«, seine Religion ablehnt. »Sie hassen alles an Israel, und sie sollten sich schämen, denn Israel wird zerstört werden.«
»Wir sind jüdische Amerikaner, keine Israelis«
Kritiker wie die renommierte »Washington Post«-Kolumnistin Ruth Marcus halten diese Sichtweise für bedenklich. »Wir sind jüdische Amerikaner, keine Israelis, und es ist mehr als beleidigend, etwas anderes zu unterstellen.« Bei Trump kommt das nicht an. Regelmäßig verunglimpft er Juden, die für die Demokraten stimmen, als »Narren«, denen er rät, »sich den Kopf untersuchen zu lassen«.
Dass zwei Drittel der amerikanischen Juden Kamala Harris, Vizepräsidentin und Kandidatin der Demokraten, laut aktuellen Umfragen dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten vorziehen, betrachtet dieser als illoyal. Dahinter steht offenbar der Frust, dass Trump bei dieser Wählergruppe seit 2016 kaum Boden gewonnen hat. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 stimmten nur 29 Prozent der amerikanischen Juden für ihn.
Er wolle keine »Vorhersage« treffen, sagte Trump in einer Rede vor dem konservativen Israeli American Council vergangenen Donnerstag. Aber die Juden »hätten wirklich viel damit zu tun«, wenn er die Wahlen nicht gewinnen sollte. Wenn er nur 40 Prozent ihrer Stimmen erhalte, »bedeutet das, dass 60 Prozent der Menschen für den Feind stimmen«. Der »Feind«, das sei Kamala Harris. Aus Sicht von Trump würde sie Israel zerstören.
Kritiker: Trump schürt das »Gefühl der Entfremdung«
Douglas Emhoff - Ehemann der Vizepräsidentin und selbst jüdischen Glaubens - warf Trump wiederum vor, die »Flammen des Antisemitismus« zu schüren. Denn er versuche, die Juden »zum Sündenbock« einer Niederlage zu machen. Ähnlich bewertet es Jonathan Greenblatt, Präsident der Anti-Defamation League, die sich gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden einsetzt. Er erklärte: Trump verstärke bei den amerikanischen Juden ein »Gefühl der Entfremdung« zu einem Zeitpunkt, in dem »rechte Extremisten und linke Antizionisten Juden ständig dämonisieren und verleumden«.
Auch das 1906 gegründete American Jewish Committee äußerte sich kritisch. Juden sollten allein schon wegen ihres geringen Bevölkerungsanteils nicht für den Ausgang der Wahl verantwortlich gemacht werden. Die Geschichte habe gezeigt, dass die Sündenbock-Rolle zu antisemitischem Hass und Gewalt führen kann.
Nur wenige Wähler jüdischen Glaubens in den Swing States
Andere Kritiker weisen darauf hin, dass Trump in North Carolina einen Gouverneurskandidaten unterstütze, der sich als »schwarzen Nazi« bezeichnet und die Lektüre von Hitlers »Mein Kampf« empfiehlt. Zudem umgab sich Trump in der Vergangenheit mit offenen Antisemiten. So hatte er Nick Fuentes und Rapper Ye zu einem Essen auf seinem Anwesen Mar-A-Lago empfangen.
Daten des Public Religion Research Institute zeigen, dass der jüdische Bevölkerungsanteil in den meisten Swing States, in denen Republikaner wie Demokraten Chancen auf die Mehrheit haben, noch geringer ist als der landesweite Durchschnitt. Oft liegt er bei unter einem Prozent. Der Chef der Republican Jewish Coalition, Matthew Brooks, versuchte indes, die Wogen zu glätten: Trump habe mit seinen Aussagen nur darauf hinweisen wollen, dass in einem knappen Rennen schon ein paar Tausend Stimmen entscheidend sein könnten. »Das war der Versuch des Präsidenten, die jüdische Gemeinschaft zu motivieren.«