Die Nachricht vom Tod des US-Spitzendiplomaten Richard Holbrooke, der am Montag im Alter von nur 69 Jahren in Washington verstarb, war für viele ein Schock. Zu Recht gilt er – zuletzt als Afghanistan- und Pakistanbeauftragter von Außenministerin Hillary Clinton – als ein Titan der amerikanischen Diplomatie. Er diente unter allen demokratischen Präsidenten seit John F. Kennedy. Zeitweise war er auch Journalist und arbeitete als Chefredakteur der Zeitschrift Foreign Policy sowie für Newsweek.
1976 beriet er den demokratischen Kandidaten Jimmy Carter in außenpolitischen Fragen und wurde nach dessen Wahl mit einem wichtigen Posten im State Department belohnt, zuständig für Asien. Zeitweilig war Holbrooke auch als Investmentbanker an der Wall Street tätig, obwohl ihn seine Faszination für Diplomatie nie losließ. Er engagierte sich ehrenamtlich in zahlreichen internationalen Initiativen und Stiftungen.
Beziehungen Obwohl Holbrooke ursprünglich die US-Botschaft in Tokio übernehmen sollte, schickte ihn Präsident Bill Clinton 1993 nach Bonn. Von dort aus initiierte er mit Henry Kissinger, Richard von Weizsäcker, Fritz Stern und Otto Graf Lambsdorff die American Academy Berlin, deren Hauptanliegen ist, die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA zu vertiefen.
Geboren wurde Richard Holbrooke 1941 in New York als Sohn jüdischer Auswanderer. Seine Mutter, die aus Hamburg stammte, sagte einmal: »Wir dachten nie daran, Richard eine jüdische Erziehung zu geben. Die Treffen der Quäker waren interessanter.« Erst später wurde Holbrooke sich seiner jüdischen Wurzeln gewahr, besonders, als auch seine katholisch erzogene dritte Frau Kati Marton herausfand, dass ihre jüdischen Großeltern in Auschwitz ermordet worden waren.
Als ich Holbrooke Mitte der 90er-Jahre in Bonn aufsuchte, erzählte er mir sichtlich stolz, unter seinen Vorfahren seien deutsche Juden gewesen. Kurze Zeit später (er war mittlerweile im State Department für Europa zuständig) war er die Rückendeckung der Clinton-Administration für die Bemühungen um die Rückgabe gestohlenen jüdischen Eigentums, die nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken und die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter. Holbrooke war auch während der folgenden Jahre eine Hilfe in den teilweise sehr zähen Entschädigungsverhandlungen mit Regierungen, Banken und Wirtschaft.
Robust Seine Meisterstunde kam aber, als er den Auftrag bekam, die Führer der Bürgerkriegsparteien in Jugoslawien zu einem Friedensabkommen zu bewegen. Er lud sie 1995 nach Dayton in Ohio ein, wo es ihm mittels intensiver und robuster Shuttle-Diplomatie gelang, das Ende der blutigen Kämpfe zu erreichen. Vier Jahre später scheiterte er nach harten Verhandlungen mit Milosevic, den Kosovo-Konflikt friedlich beizulegen, und setzte sich für einen NATO-Militäreinsatz gegen Serbien ein.
Holbrooke nahm danach zahlreiche weitere diplomatische Missionen seines Landes an. Am Ende war er für den Friedensnobelpreis und – als prominenter Unterstützer von Hillary Clintons Bewerbung für das Präsidentenamt – möglicher US-Außenminister im Gespräch. Auch wenn er nicht als harmoniesüchtig galt und viele Gesprächspartner seine hartnäckige und aufbrausende Art fürchteten, war Richard Holbrooke vielleicht der wirkungsvollste US-Diplomat der letzten Jahrzehnte. Von ihm können sich viele Nachwuchskräfte der Außenpolitik, nicht nur in Amerika, postum einiges abschauen.
Der Autor ist Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses und leitet das Europabüro der Organisation in Brüssel.