Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der 9. November ein ganz besonderer Tag in der deutschen Geschichte. Zum einen stehe er mit der »Reichspogromnacht« 1938 für die dunkelste Phase, zugleich sei er mit dem Mauerfall von 1989 ein Tag großer Freude und Hoffnung gewesen. »Für mich bedeutet das, dass dieser 9. November beide Ereignisse – in verschiedenen Jahren natürlich – umfasst, dass wir uns immer unserer Vergangenheit bewusst sein müssen, damit wir verantwortlich die Zukunft gestalten können«, sagte Merkel in ihrem wöchentlichen Video-Podcast.
Am 9. November 1938 sei ein wirklicher Tiefpunkt der deutschen Historie erreicht worden. »Leider hat sich die Geschichte dann später mit der Schoa und dem Zivilisationsbruch noch dramatischer entwickelt.«
Zeitzeugen Merkel lobte in dem Podcast-Interview die Bereitschaft von Zeitzeugen, über die Geschehnisse von damals zu berichten: »Denn es ist alles andere als selbstverständlich, dass Menschen, die so Schreckliches erlebt haben, die in Konzentrationslagern waren, die verfolgt waren, heute überhaupt wieder mit uns – den Deutschen – ins Gespräch kommen.«
Zugleich habe die Regierung Vorsorge für die Zeit zu treffen, in der es keine Zeitzeugen mehr gebe. Deshalb benötige Deutschland eine umfassende Gedenkkultur. Merkel nannte dabei Orte in Berlin, wie das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Topographie des Terrors oder das Jüdische Museum. Auch erwähnte sie die Aktion Stolpersteine und verwies auf das Programm der Bundesregierung und der Länder gegen Extremismus und Antisemitismus. »Außerdem brauchen wie die Zivilcourage aller Menschen im Lande, damit sie Antisemitismus nicht dulden«, so Merkel.
Integration Es sei eine sehr gute Erfahrung zu sehen, dass heute wieder lebendiges jüdisches Leben in Deutschland existiere. Die Bundesregierung unterstütze dies ausdrücklich. Insbesondere hob sie in diesem Zusammenhang die Verdienste des Zentralrats hervor: »Wir sind auch dankbar für die große Arbeit, die der Zentralrat der Juden leistet – die Integration der Menschen jüdischen Glaubens, die zu uns aus Russland gekommen sind.«
Merkel bezeichnete es hingegen als außerordentlich bedrückend und nicht nachvollziehbar, dass keine jüdische Einrichtung ohne Polizeischutz sein könne. »Deshalb muss immer wieder darüber gesprochen werden, damit es hier keine antisemitischen Tendenzen gibt. Aber wir haben dieses Ziel noch nicht erreicht.« Wenn bei Kritik an Israel pauschalisiert werde und darin Antisemitismus und Anti-Zionismus zum Ausdruck kämen, dann trete sie sehr entschieden dagegen auf.
Die Fragen im Podcast des Kanzleramtes stellte Samuel Vingron, 17-jähriger Abiturient des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn, Berlin. ja