Was Kerry und die Amerikaner nicht hinbekommen, das bekommen wir auch nicht hin»: Joschka Fischer, ehemaliger Bundesaußenminister und Grünen-Politiker, hat sich skeptisch zu einer Vermittlerrolle Deutschlands zwischen Israelis und Palästinensern geäußert.
«Wir sind begrenzt, was unsere Einflussmöglichkeiten in diesem Konflikt angeht, nicht zuletzt aufgrund unserer Geschichte», sagte Fischer am Mittwochabend vor mehr als 200 Zuhörern bei der Eröffnung der zweitägigen Konferenz «Besondere Beziehungen –Besondere Verantwortung» der Heinrich-Böll-Stiftung anlässlich des 50. Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen in Berlin.
Gefühlslage Ebenso wenig wie Deutschland sei die EU für eine Vermittlerrolle prädestiniert, sagte Fischer: «Die Europäer sind über die israelische Gefühlslage oft hinweggetrampelt wie ein Panzernashorn.» Über die Zukunft im Nahen Osten äußerte sich Fischer pessimistisch. «Wir werden vor Jahrzehnten sehr gewaltsamer Entwicklungen stehen», so der Grünen-Politiker. Weiter sagte er: «Wir werden lange, lange, lange eine rechte Mehrheit in Israel haben.»
Besorgt äußerte sich Fischer über die «Konsequenz der Verwerfungen» zwischen der israelischen Regierung und den USA. Falls die Frage eines palästinensischen Staates tatsächlich an den UN-Sicherheitsrat zurückgehe, «dann haben wir (die Deutschen) uns hoffentlich nicht um einen Sitz beworben», so Fischer.
Eliten Ralf Fücks, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, wies in seiner Einleitung der Tagung auf einen «tiefgreifenden Wandel» im Verhältnis zwischen beiden Staaten hin. Die Rede von der besonderen Verantwortung Deutschlands sei «zunehmend ein Diskurs der politischen und kulturellen Eliten, der von wachsenden Teilen der Bevölkerung nicht mehr geteilt wird», beklagte Fücks.
Israel werde in Deutschland «fast nur noch durch das Prisma des Nahostkonflikts und der Besatzungspolitik wahrgenommen». Eine ritualisierte Beschwörung der deutsch-israelischen Freundschaft reiche heute nicht mehr aus: «Wir brauchen einen Diskurs über die Unterschiede, und wir brauchen eine Anerkennung der Unterschiede.»
Boykottbewegung Zur Boykottbewegung gegen Israel sagte Fücks: «Ich halte das für einen gefährlichen Irrweg.» Ein kollektiver Boykott, der sich wahllos gegen israelische Künstler, Wissenschaftler, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft oder demokratische Parteien richte, «wird nur die Wagenburgmentalität in Israel stärken und der israelischen Rechten in die Hände spielen», so der Chef der Heinrich-Böll-Stiftung.
Yfaat Weiß, Professorin für jüdische Geschichte und Leiterin des Franz Rosenzweig Minerva Research Center an der Hebräischen Universität Jerusalem, betonte, jenseits der «großen politischen Fragen» gebe es ganz andere Gesprächsebenen zwischen Israelis und Deutschen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Lifestyle: «Es gibt so viele Kanäle. Wenn wir nur auf die Berichterstattung und die Politik schauen, dann sehen wir sie nicht.»
Habsburgermonarchie Michael Wolffsohn, Historiker und emeritierter Professor für neuere Geschichte an der Universität München, versuchte, neue Lösungen für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ins Gespräch zu bringen. Seine Idee, sich dabei von der multiethnischen Habsburgermonarchie inspirieren zu lassen, wurde von Yehuda Bauer, emeritierter Professor für Holocaust-Studien an der Hebräischen Universität Jerusalem, scharf zurückgewiesen: «Die Habsburgermonarchie ist gescheitert», erklärte Bauer, ein entschiedener Anhänger der Zweistaatenlösung.
Der 89-jährige Historiker betonte, die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland seien bis heute vom Trauma der Schoa beeinflusst. Bei Älteren und Überlebenden gebe es immer noch viel Feindschaft gegenüber Deutschland. Dennoch seien vor allem jüngere Israelis der Bundesrepublik gegenüber sehr aufgeschlossen: «Die Schoa ist präsent, aber die Täter sind tot.»
antisemitismus Auf den erstarkten Antisemitismus in Europa gingen fast alle Teilnehmer des Podiums ein. Bauer sagte: «Europäische und radikalislamische Antisemiten versuchen, die Juden weltweit anzugreifen. Unzählige islamistische Fernsehprogramme fordern die Vernichtung der Juden weltweit.» Vergleiche zum Nationalsozialismus seien dennoch falsch, so Bauer.
Ralf Fücks kritisierte das Abhängen einer Israelfahne bei einem Zweitligaspiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem FC Ingolstadt durch die Polizei am vergangenen Sonntag. Und Joschka Fischer betonte: «Dass jüdische Bürger der EU wieder Angst haben müssen, dass jüdische Kindergärten bewacht werden müssen wie Hochsicherheitseinrichtungen, das finde ich einfach pervers.»
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