Einspruch

Thesen mit Tabubruch

Er hat es wieder geschafft. Es gibt Dutzende Bücher zur Euro-Krise, aber ein Bestseller wird nur jenes von Thilo Sarrazin werden. Denn der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbanker versteht es, seine Thesen stets mit einem gezielten Tabubruch zu vermarkten – und seine Gegner tappen bereitwillig in die Falle. Beim letzten Mal waren es die jüdischen Gene, diesmal ist es der angebliche Zusammenhang zwischen Holocaust und Euro-Bonds.

Deren Befürworter seien, so schreibt Sarrazin in extremer Zuspitzung und Missinterpretation einer Äußerung von Helmut Schmidt, »getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir all unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände legen«.

redeverbot Und schon sind Sarrazins Gegner so auf der Palme, dass es Redeverbotsforderungen gibt, die dem Autor dann eben doch recht zu geben scheinen. Er wirkt plötzlich mutig, weil er ausspricht, was andere ihm auszusprechen verbieten wollen. Und er repräsentiert so plötzlich die Stimme des kleinen Mannes, den das Meinungskartell der Mächtigen zum Schweigen bringen will, weil er eine unbequeme Wahrheit sagt.

Dabei ist Sarrazins Aussage erstens solcher historischer Unsinn, dass sie nicht einmal Empörung wert ist. Aber zweitens ist sie, leider, alles andere als unpopulär. Anders als von ihm selbst behauptet, ist der gewöhnliche deutsche Reflex unserer Zeit doch, von Günter Grass bis NPD, eben nicht der, Buße zu tun. Der Reflex ist doch eher, bei jeder Gelegenheit nach einem Schlussstrich zu rufen, pathetisch das Ende des Schweigens zu beschwören und auf die vorbildliche deutsche Vergangenheitsbewältigung zu verweisen, die es möglich macht, nun endlich auch den jüdischen Staat kritisch zu hinterfragen. Schuldabwehr, nicht Sehnsucht nach Buße, ist mehrheitsfähig. Sarrazin baut eine Schimäre auf, zerreißt sie und profitiert von der folgenden Empörung.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  02.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025

Interview

»Deutschlands Vorbildrolle steht radikal infrage«

Oliver von Wrochem über 80 Jahre Kriegsende, eine stärker werdende AfD und NS-Gedenkstätten als gesellschaftspolitische Akteure

von Sebastian Beer  02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schritt des Verfassungsschutzes, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen

von Anne-Beatrice Clasmann  02.05.2025

Deutschland

Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette und der angebliche »Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung«

Lange lebte die frühere RAF-Terroristin Klette im Untergrund, ehe sie in Berlin verhaftet wurde. Am 1. Mai ist sie in Gedanken wieder in ihrer Kreuzberger Community

 02.05.2025

Josef Schuster

Zentralrat der Juden fordert mehr Klarheit im Umgang mit der AfD

Vertreter der Partei dürften nie »in staatstragende Funktionen gelangen«, so der Zentralratspräsident. Zuvor hatte der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft

 02.05.2025