Was haben ein Chabad-Haus auf Zypern, ein koscheres Restaurant in Athen und drei jüdische Einrichtungen in Bochum, Dortmund und Essen gemeinsam? Auf alle wurden in den letzten Monaten Anschläge verübt oder diese wurden vereitelt. Und in allen Fällen führt die Spur offenbar in den Iran.
Der jüngste Terrorplot richtete sich gegen ein Haus der jüdischen Gemeinschaft in Zypern und war erst am Wochenende bekannt geworden. Auch Hotels, Unterhaltungsbetriebe und ein Immobilienhändler im griechischen Landesteil der geteilten Insel standen wohl im Visier von Terroristen. Den Orten ist gemeinsam, dass sie entweder von Israelis betrieben oder von ihnen stark frequentiert werden. Die Insel im östlichen Mittelmeer ist wegen der kurzen Entfernung ein beliebtes Reiseziel für Israelis, viele leben sogar dauerhaft dort.
Medienberichten zufolge wurden in den vergangenen Tagen sieben pakistanische Staatsangehörige festgenommen, die der Iran für Anschläge angeworben haben soll. Allerdings sei der mutmaßliche Anführer der Zelle entkommen, gegen ihn wurde ein internationaler Haftbefehl ausgestellt. Die Vereitelung der Anschläge sei auf die gute Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten Israels, Zyperns, Griechenlands und der USA zurückzuführen, berichteten zyprische Zeitungen. Im März hatten die griechischen Sicherheitsbehörden zwei ebenfalls aus Pakistan stammende Männer verhaftet. Auch sie sollen, mutmaßlich im Auftrag des Iran, Terroranschläge gegen israelische und jüdische Ziele geplant haben.
QUDS-TRUPPE Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte Anfang der Woche in einer Mitteilung, man werde überall, wo der iranische Terrorismus seinen Kopf erhebe, entschlossen handeln – »auch im Iran selbst«. Israels Nationaler Sicherheitsrat hatte bereits Anfang des Jahres gewarnt, Zypern und Griechenland seien zwei Länder, in denen der Iran Juden besonders ins Visier nehme.
Auch in Deutschland gibt es zunehmend Indizien für eine Involvierung staatlicher Stellen des islamischen Regimes in terroristische Aktivitäten. Der vergangene Woche vorgestellte Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz für 2022 spricht sogar von »staatsterroristischen Aktivitäten«. Wörtlich heißt es: »Neben den USA hat Iran den Staat Israel, dessen Repräsentanten sowie exponierte Unterstützer zu seinen Feinden erklärt. Hierzu können auch führende Vertreterinnen und Vertreter jüdischer Organisationen in der Diaspora gehören. Deshalb gehören auch Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-)israelische sowie (pro-)jüdische Ziele in Deutschland unverändert zum Tätigkeitsfeld der Spionage Irans.«
Diese bedrohlichen Aktivitäten gingen nicht nur von Nachrichtendiensten, sondern auch von der Quds-Einheit aus. Sie ist ein auf Auslandseinsätze spezialisierter Arm der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) und direkt dem obersten Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, unterstellt.
Die Aktivitäten gehen auch von den Revolutionsgarden aus.
»Maßgebliche staatsterroristische Ziele (des Iran) sind die Einschüchterung und Neutralisierung Oppositioneller, aber auch die Bestrafung von ›Verrätern‹ oder ›Überläufern‹«, so der Verfassungsschutzbericht. Das vom Iran ausgehende Gefährdungspotenzial sei in den letzten Jahren angestiegen. Es liege auf einem hohen Niveau. »Es ist davon auszugehen, dass iranische Nachrichtendienste die dortigen Interessen auch weiterhin mit allen Mitteln – auch durch Gewalttaten und sogar Tötungen – verfolgen werden.«
ruhrgebiet Ob die Revolutionsgarden oder eine andere staatliche Stelle im Iran auch hinter möglichen Anschlägen auf jüdische Ziele im Ruhrgebiet stecken, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Doch auch hier hat sich der Verdacht erhärtet.
Den bisherigen Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft zufolge taten sich 2022 mindestens vier Personen, eine von ihnen im Iran, zusammen, um in Deutschland Anschläge auf jüdische Einrichtungen zu verüben. Das ist einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Mai zu entnehmen, der erst jetzt veröffentlicht wurde. Der Drahtzieher der Aktionen, ein Deutsch-Iraner namens Ramin Y., stammt aus Nordrhein-Westfalen. Er floh wegen eines anderen Verfahrens gegen ihn 2021 in den Iran. Laut Gerichtsbeschluss soll er von dort einen weiteren Beschuldigten angestiftet haben, in der Nacht vom 17. auf den 18. November 2022 einen Anschlag auf das Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen zu verüben.
Fast zeitgleich wurde in Bochum ein Molotowcocktail gegen einen Gebäudeteil einer Schule geworfen, die unmittelbar an die dortige Synagoge angrenzt. Ein dritter, ebenfalls für den 17. November 2022 geplanter Brandanschlag auf die Dortmunder Synagoge wurde nicht ausgeführt, da der dafür vorgesehene Attentäter sich zuvor an die Polizei gewandt hatte und Mitglieder der vom Generalbundesanwalt als »Operativteam« bezeichneten Gruppe belastet hatte. Ein Verdächtiger wurde daraufhin festgenommen. Innerhalb der Gruppe habe Ramin Y. die Planung der Anschläge koordiniert. Das sei offenbar »in Zusammenarbeit mit einer staatlichen Stelle im Iran, den Quds-Kräften der Revolutionsgarde« geschehen.
Die geplante Tat habe eine »besondere Bedeutung«, da die Anschläge Synagogen gegolten hätten und nicht nur die innere Sicherheit, sondern auch die staatliche Souveränität der Bundesrepublik infrage gestellt sei, stellte der BGH fest. Die Anschlagspläne seien »geeignet, gegenüber in Deutschland lebenden Angehörigen der jüdischen Religionsgemeinschaft ein Klima der Angst und Einschüchterung zu verbreiten«. Der deutsche Staat müsse jedoch imstande sein, den Schutz seiner jüdischen Bürger »effektiv zu gewährleisten«.
(Mitarbeit: Sabine Brandes)