Vergangene Woche hatte die Europäische Union erstmals seit Jahren neue Sanktionen gegen den Iran verhängt. Wegen der gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung im Land wurden insgesamt 14 Einzelpersonen und fünf Organisationen auf die »schwarze Liste« der EU gesetzt. Sie dürfen künftig nicht mehr in die 27 EU-Staaten einreisen; Geschäfte und Finanztransaktionen mit ihnen sind EU-Bürgern und -Unternehmen untersagt.
Am Mittwoch schlug Teheran nun zurück und verhängte seinerseits Sanktionen. Das iranische Außenministerium veröffentlichte auf seiner Webseite eine Erklärung. Demnach werden acht europäische Organisationen sowie zwölf Individuen wegen angeblicher Unterstützung »terroristischer Gruppen« und »Aufrufen zur Gewalt« mit Strafmaßnahmen belegt .
INTEGRITÄT Auf der iranischen Liste finden sich auch die »Bild«-Chefredakteure Johannes Boie (ein ehemaliger Mitarbeiter dieser Zeitung) und Alexandra Würzbach, der persische Dienst der Deutschen Welle, die in Berlin ansässige NGO Stop the Bomb, die Karl Kolb GmbH & Co. KG und der Nutzfahrzeughersteller Rhein-Bayern Fahrzeugbau. Zur Begründung gab die iranische Regierung an, die beiden Unternehmen hätten dem Irak unter Saddam Hussein in den 80er-Jahren chemische Waffen geliefert.
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, schrieb als Reaktion auf die Nachricht aus Teheran auf seinem Twitter-Konto: »Zeig mir, wer deine Feinde sind, und ich sage dir, wer du bist! Ehrenabzeichen für dich, mein lieber Freund @johannesboie, der vom Iran auf eine Sanktionsliste gesetzt wurde. Respekt für deinen moralischen Kompass und deine berufliche Integrität!«
Boie änderte umgehend auf Twitter seinen Eintrag. »Offiziell von Iran sanktioniert« steht dort jetzt neben seinem Profilbild.
Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, erklärte, das Regime stelle schon seit Längerem eine Bedrohung für die Arbeit der Mitarbeiter in der persischsprachigen Redaktion des Senders und deren Familien dar. »Das ist nicht hinnehmbar«, sagte Limbourg – und äußerte die Erwartung, dass die Politik in Deutschland und Europa den Druck auf das Regime nun erhöhe. »Dass wir nun auf einer solchen Liste stehen, wird uns nicht davon abhalten, unsere Nutzerinnen und Nutzer im Iran mit verlässlichen Informationen zu versorgen«, so Limbourg.
Neben mehreren irankritischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments wurden auch der jüdische Abgeordnete der Nationalversammlung in Frankreich, Meyer Habib, sowie weitere französische Politiker in die Sanktionsliste aufgenommen. Die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra) und der persischsprachige Dienst von Radio France internationale (RFI) finden sich dort ebenfalls. Die iranischen Sanktionen umfassen ein Einreiseverbot sowie die »Beschlagnahme ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte im Hoheitsgebiet des Iran«, teilte das Außenministerium ferner mit.
TOTE Am 17. Oktober hatten die Außenminister der Europäischen Union einstimmig sogenannte restriktive Maßnahmen gegen die iranische »Sittenpolizei« und elf führende iranische Offizielle, darunter den Informationsminister, beschlossen und sie beschuldigt, an der Unterdrückung der Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini am 16. September beteiligt gewesen zu sein. Die iranische Kurdin war wenige Tage nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei gestorben. Seitdem gibt es im ganzen Land Massenproteste. Mehr als 10.000 Menschen wurden im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen das Regime verhaftet, mindestens 240 kamen ums Leben.
Bereits vergangene Woche hatte der Iran mehrere britische Organisationen und Einzelpersonen auf seine schwarze Liste gesetzt. Zuvor hatte London Strafmaßnahmen gegen das Regime verhängt.
Unterdessen haben die USA weitere Sanktionen gegen die Führung des Landes angekündigt. Wie das US-Finanzministerium am Mittwoch mitteilte, richten sich die neuen Maßnahmen unter anderem gegen den Befehlshaber der iranischen Revolutionsgarden und seinen Stellvertreter, gegen hochrangige Beamte wie den Direktor des berüchtigten Ewin-Gefängnisses in Teheran sowie gegen Mitglieder des Geheimdienstes.
Die USA werfen ihnen vor, Organisationen zu beaufsichtigen, die an der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste sowie an Tötungen, auch von Kindern, beteiligt sind. Als Folge der Sanktionen werden etwaige Vermögenswerte in den USA der Betroffenen eingefroren. Geschäfte mit ihnen werden für US-Bürger untersagt. (mit dpa)