Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, und Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) stellten sich in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) im Rahmen der »Tacheles«-Konferenz Fragen von Carsten Ovens, dem Geschäftsführer von ELNET. Es ging um den 7. Oktober und dessen Folgen, auch in Deutschland.
Zunächst waren die Panel-Gäste am Eingang der Stiftung mit knapp 20 israelfeindlichen Aktivisten konfrontiert, die Teilnehmern der Veranstaltung vorwarfen, »Kindermörder« zu sein. »Zionisten sind Faschisten, morden Kinder und Zivilisten!« war nur eine von vielen Parolen der Terrorunterstützer, die sich am Eingang Wartende anhören mussten.
Die Schreie der Demonstranten wurden etwas leiser, als schließlich drei Mannschaftswagen der Polizei eintrafen und die Demonstranten auf die andere Straßenseite brachten, wo sie ihre anti-israelische Kundgebung fortsetzen durften.
Aus Antisemitismusklausel wird Demokratieklausel
Diese Art des Antisemitismus war eines der Themen, um die es – knapp ein Jahr nach dem 7. Oktober – in der Podiumsdiskussion ging. Senatorin Badenberg sprach von Judenhass in unterschiedlicher Intensität, der »in allen politischen Lagern« zu beobachten sei. Im linken Milieu stehe der israelbezogene Antisemitismus im Vordergrund. Schuster sagte, er sehe diesbezüglich eine »sehr ungute Gesamtgemengelage« in der Bundesrepublik.
In dem knapp einstündigen Panel konnten Themen wie etwa die in Berlin diskutierte Antisemitismusklausel, die im Roten Rathaus zuletzt »Demokratieklausel« genannt wurde, nur kurz angeschnitten werden. »Ich hoffe, dass wir uns darüber einig sind, dass wir Verfassungsfeinde mit staatlichen Mitteln nicht unterstützen wollen«, so Felor Badenberg. »Wir können nicht Organisationen fördern, die den Staat gleichzeitig bekämpfen.« Dieser Punkt war im überfüllten Saal der KAS-Akademie unstrittig.
Der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) hatte Anfang des Jahres für die Kulturförderung eine Antisemitismusklausel eingeführt, sie aber kurz darauf wieder abgeschafft – aufgrund juristischer Bedenken. Nun arbeitet der Senat an einer Regelung, die neben der Kultur auch die Wirtschaft und andere Bereiche mit einschließen soll.
Schuster: Politik bekämpft Antisemitismus »relativ gut«
Josef Schuster wurde bei der Podiumsdiskussion in Berlin gefragt, ob die Politik genügend unternehme, um die Ursachen des Antisemitismus zu bekämpfen. »Sie kann nur prophylaktisch tätig sein und macht dies relativ gut«, so der Zentralratspräsident. »Ich kann aber nachvollziehen, dass es für die Ermittlungsbehörden zunehmend schwierig wird, den Judenhass zu bekämpfen.«
Hier wollte die Senatorin nicht widersprechen. Sie zählte Maßnahmen auf, die Berlin seit dem 7. Oktober umgesetzt habe, um dem Hass besser entgegenwirken zu können. Dazu gehört ihr zufolge eine entsprechende Aufstellung der Staatsanwaltschaft. Ein Ansprechpartner für Polizeibeamte ist dort rund um die Uhr erreichbar, um Fragen zu klären, die mit der Identifizierung antisemitisch motivierter Vergehen zu tun haben.
Dann wurde über die ebenfalls viel diskutierte Staatsräson gesprochen. Für Schuster geht es dabei nicht primär um eine militärische Unterstützung Israels, sondern eher darum, für den jüdischen Staat einzustehen. Er sprach auch das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen an, das »mit dem, was ich für Staatsräson halte, nicht mehr kompatibel ist«. Die Zuhörer applaudierten.
Von den Vereinten Nationen führte das Gespräch direkt zum jüngsten Zitat von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), wonach die am Wochenende erfolgte Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah durch einen gezielten Luftangriff Israels »in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels« liege.
Badenberg betonte, sie hoffe, die Außenministerin habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass der Iran nun über eine Reaktion nachdenke und dass von dieser eine Gefahr ausgehe. Dass Israel versuche, seine Feinde anzugreifen, sei »nüchtern bezeichnet nachvollziehbar«.
Schuster: »Beschämend«, dass bis heute keine Antisemitismusresolution verabschiedet wurde
Bei dem ersten von insgesamt vier Panels der Konferenz ging es auch um die Sicherheit von Juden in Deutschland seit den Massakern der Hamas und anderer Terroristen vor gut einem Jahr.
»Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen gab es schon vor dem 7. Oktober«, stellte Schuster fest. Seit dem Anschlag von Halle seien diese umfassend verstärkt worden. Aber nach den Massakern hätten jüdische Gemeinden »erlebt, dass Menschen Sorge hatten, Synagogen oder andere jüdische Einrichtungen zu besuchen«, so Schuster.
Diese Angst habe jedoch mit Sicherheitsmaßnahmen abgefangen werden können. Allerdings würden es Jüdinnen und Juden seit dem 7. Oktober »weitgehend vermeiden«, sich auf der Straße zu erkennen zu geben. Dies sei nicht mehr nur in gewissen Berliner Stadtteilen der Fall, sondern auch in Teilen Nordrhein-Westfalens und andernorts.
Zur Antisemitismusresolution, die der Bundestag bereits vor Monaten verabschieden wollte, nahm Josef Schuster ebenfalls Stellung. Es sei »beschämend«, dass dies bis heute nicht geschehen sei. Diskutiert werde weiterhin auch über die Antisemitismusdefinition, die der Resolution zugrunde liegen sollte. Die IHRA-Arbeitsdefinition sei die beste, betonte der Präsident des Zentralrats.
Das Thema Bildung als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Judenhasses kam ebenfalls kurz zur Sprache. »Ich finde es gut, wenn es wie in Bayern obligatorisch ist, einmal mit der Schule eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen«, erklärte Josef Schuster. Allerdings müssten diese Besuche im Vorfeld und im Anschluss im Unterricht aufbereitet werden.
»Wenn man hinterher zu McDonald’s geht, kann man es gleich vergessen«, so Schuster. Auch stellte er klar, Deutschland solle sich nur am Wiederaufbau Gazas beteiligen, wenn es einen Frieden gebe. Denn »die Gelder, die 2005 nach Gaza geflossen sind, wurden zwar für den Bau verwendet, aber nicht nach oben, sondern nach unten«. Damit spielte Schuster auf die Terror-Tunnel der Hamas an.