Mehr als die Hälfte aller dokumentierten antisemitischen Vorfälle in Bayern zeichnet sich einer Untersuchung zufolge durch einen Bezug auf den Holocaust aus. Der sogenannte Post-Schoa-Antisemitimus ist die »ausgeprägteste Erscheinungsform des Antisemitismus« im Freistaat, wie die Recherche- und Informationsstelle (RIAS) Bayern am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in München bekanntgab.
Antisemitismus zeige sich damit »nicht trotz, sondern wegen Auschwitz«. Anlass war die Vorstellung der neuen RIAS-Broschüre »Multidirektionale Angriffe auf die Erinnerung. Post-Schoa-Antisemitismus in Bayern«.
Als Fälle von Post-Schoa-Antisemitismus klassifiziert RIAS Bayern demnach seit dem Frühjahr 2019: drei Angriffe, 35 gezielte Sachbeschädigungen, 16 Bedrohungen, 79 Massenzuschriften und 437 Fälle verletzenden Verhaltens, darunter 183 Versammlungen.
Bei 49 Prozent dieser Vorfälle sei es aber nicht möglich gewesen, einen eindeutigen politischen Hintergrund der Täter oder Täterinnen zu erkennen, sagte RIAS-Mitarbeiter Felix Balandat. Oft handele es sich um Vorfälle, bei denen außer etwa einer gezielten Beschädigung einer Gedenkstätte keine weiteren Information vorlägen, anhand derer eine bestimmte politisch-weltanschauliche Motivation ersichtlich wäre.
Bei den Fällen mit einem festgestellten bestimmten politischen Hintergrund steht laut RIAS-Veröffentlichung an erster Stelle mit 120 Fällen das verschwörungsideologische Milieu, wie es etwa bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung in Erscheinung tritt. 107 Fällen seien dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen, 40 dem antiisraelischen Aktivismus.
Es sei von einem großen Dunkelfeld auszugehen. In der Broschüre werde zudem am Beispiel des Umgangs mit dem ehemaligen Konzentrationslager Dachau ein Blick auf den Wandel der bayerischen und deutschen Erinnerungskultur geworfen. kna