Ein halbes Jahr nach dem Ende des NSU-Prozesses werfen die Erkenntnisse über ein mutmaßliches rechtsextremistisches Netzwerk in der Frankfurter Polizei erneut Fragen zum Umgang der Behörden mit rechtsextremen Mitarbeitern auf: Es ist schwer vorstellbar, dass niemand auf dem Frankfurter 1. Polizeirevier von den Einstellungen der fünf Polizisten wusste, die in einem Chat Hitler-Bilder, Hakenkreuze und rassistische Nachrichten ausgetauscht hatten.
Selbst wenn die fünf versucht haben, ihre Einstellungen vor ihren Kollegen zu verheimlichen, müssen sie in irgendeiner Weise aufgefallen sein – durch Kommentare, Begriffe, Äußerungen.
verantwortliche Wurde das nie Vorgesetzten gemeldet? Oder haben die Verantwortlichen reagiert, wie wir es im Kontext des NSU-Prozesses immer wieder erlebt haben: mit Wegsehen, Ignorieren, Verschweigen? Aus der Polizeiforschung wissen wir, dass es ein aktives Anerkennen und Fördern von kritischen Haltungen sowie internen Strukturen der Konfliktbearbeitung geben muss: Nur so kann sichergestellt werden, dass Beamte, die gegen andere aussagen, vor Mobbing und Ausgrenzung durch Kollegen geschützt sind. Offenbar herrschte eine solche offene Betriebskultur in der Frankfurter Polizei jedoch nicht vor.
In unserer eigenen Beratung mit Betroffenen von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt hören wir immer wieder, dass das Vertrauen in Behörden erschüttert ist. Dieses Vertrauen kann nur wiederhergestellt werden, wenn die Führungsebene ein deutliches Signal zur Stärkung des demokratischen Selbstverständnisses der Sicherheitsbehörden setzt.
Dazu gehört neben lückenloser Aufklärung auch, Polizeibeamte für rechtes, rassistisches, antisemitisches und menschenfeindliches Gedankengut zu sensibilisieren. Auch die Einrichtung einer unabhängigen Meldestelle für polizeiliches Fehlverhalten nach britischem Vorbild muss wieder neu diskutiert werden. Kurz gesagt: Ein Strukturwandel in der gesamten Polizei ist dringend notwendig.
Der Autor ist Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/Main.