Tourismus

Storno wegen Gaza

Bei Mittelmeerreisen wird Israel derzeit großräumig umfahren. Foto: dpa

Nur zwingend notwendige Israelreisen sollten noch durchgeführt werden, Urlaubsreisen gehören nicht dazu.» Etwas oberlehrerhaft wirkt, was DER Touristik derzeit Kunden mitteilt, die ins Heilige Land wollen. Wer «Israel-Bausteine» gebucht hat, wird «dringend» aufgefordert, seine Reiseabsichten «zu überdenken».

Vorsorglich suspendierte das Unternehmen, unter dessen Dach auch Meier’s Weltreisen und ADAC Reisen operieren, vorige Woche alle Israel-Rundfahrten bis 31. August und stoppte Neubuchungen. Rückfragen, wann DER Touristik glaubt, dass die Lage ruhiger wird, werden schmallippig beantwortet. Man kommuniziere «keine destinationsbezogenen Informationen zu Rundreiseterminen, Gästezahlen etc.».

risiken Die großen Ferien beginnen, und die Urlaubsbranche macht Israel-Pause. Namhafte Reisefirmen wollen kein Risiko eingehen. Rund- und Schiffsreisen werden gekündigt, biblische Stätten weiträumig umfahren, Flüge gestrichen. Der nach eigenen Angaben größte deutsche Israel-Veranstalter, Diesenhaus Ram, registriert, dass jeder Zweite seine Reise absagt. Geschäftsführer Amnon Ram, der jährlich rund 12.000 Gäste ins Heilige Land bringt, hält eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für ganz Israel für überfällig: «Familien sollten jetzt nicht einmal nach Tel Aviv, das ist zu unsicher.» Gegenwärtig rät das Außenministerium lediglich von Aufenthalten innerhalb eines Radius von 40 Kilometern um den Gazastreifen ab.

Vergleichsweise gelassen bleibt die Kreuzfahrtindustrie, die Israel nur sporadisch ansteuert. TUI Cruises teilt mit, ein alternativer Fahrplan sei in Vorbereitung. Freilich ist noch Zeit, die Entwicklung abzuwarten. Erst für Oktober sind zwei Reisen «Mittelmeer und Israel» mit Anläufen in Aschdod und Haifa vorgesehen. Noch entspannter ist man bei MSC Kreuzfahrten. Vor November sind keine Israel-Stopps geplant. Man habe gleichwohl «die Berichte über die Geschehnisse um das Schiff AIDAdiva mit Besorgnis verfolgt», will Routen modifizieren, «wenn dies notwendig wird».

raketenteile Insbesondere nach Aschdod und Haifa waren Kreuzfahrtreedereien seit der Ägyptenkrise gern ausgewichen. Nachdem aber am 7. Juli in Aschdod Raketenteile auf die AIDAdiva gefallen waren, stellte AIDA Cruises Israel-Anläufe zugunsten der Kykladen-Insel Santorin bis Oktober ein. Insgesamt gehe es um acht Reisen, so Sprecherin Kathrin Heitmann.

TUI Deutschland hatte seine Rundreisen gleich nach dem AIDAdiva-Zwischenfall abgesagt, bis Ende Juli einen Buchungsstopp für das Land verhängt und bis 31. Juli gebührenfreies Umbuchen angeboten. Der Reiseriese hat zwei Rundreisen im Programm, die in Tel Aviv starten. Darüber hinaus gibt es ein Hotelpaket für Tel Aviv, Eilat, Jerusalem und Haifa. Inzwischen zogen die Hannoveraner mit DER Touristik gleich und strichen alle Rundreisen bis 31. August. Lediglich Kunden für diese Reisekategorie werden aktiv kontaktiert. «Alle anderen TUI-Gäste werden über den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes informiert», sagt TUI-Sprecherin Anja Braun.

Studiosus hat seit Ausbruch des Konflikts drei Rundreisen annulliert. «Bisher waren somit nur sehr wenige Gäste betroffen», sagt Firmensprecher Frano Ilic. Insgesamt bietet der Studienreisenspezialist zehn verschiedene Israeltouren an. Die nächste startet am 6. September, über die Durchführbarkeit wird in diesen Tagen entschieden. «Solange die israelischen Großstädte unter Raketenbeschuss sind, können wir keine Reisen durchführen.» Dabei sind Israelreisen bei Studiosus ein Wachstumssegment. «Die Nachfrage ist deutlich gestiegen», weiß Frano Ilic. 2013 zählte seine Firma, die Israelreisende unabhängig von der politischen Lage generell gratis umbucht, rund 1100 Gäste. Nunmehr buchten schon rund 2000.

saison Auch bei einem Branchengiganten wie TUI, bei dem die Hauptsaison für das Bibelland der Sommer ist, gilt Israel als «eines unserer kleineren Ziele», das aber zulegt. «Vor dem Konflikt war die Nachfrage gestiegen», so Anja Braun. Zahlenmäßig so unbedeutend, dass aktuell nicht einmal eine Pressemitteilung verschickt wurde, ist das Reiseziel Israel bei Thomas Cook. Auf Nachfrage ist zu erfahren, dass für Abreisen bis einschließlich 4. August kostenlose Umbuchung oder Stornierung angeboten werden.

Der Stuttgarter Veranstalter «Biblische Reisen» berichtet von ersten Gruppenstornierungen für den Herbst. «Verständlicherweise kontaktieren uns zahlreiche besorgte Gruppenleiter und Teilnehmer», so Annette Heger. Doch die Bereichsleiterin Naher Osten weiß: «Die Erfahrung zeigt, dass sich die Nachfrage relativ rasch erholt.» Im Übrigen gingen entsprechenden Reisen oft Vorbereitungszeiten von bis zu zwölf Monaten voraus. Das Nischenunternehmen sieht von Programmänderungen ab. Heger: «Wir setzen weder Rundreisen aus, noch gibt es einen Buchungsstopp.»

Freilich schicken die Stuttgarter «aus saisonalen Gründen» im Sommer ohnedies keine Gruppen nach Israel. Hauptreisemonate im Herbst sind Oktober und November, die nächsten Abreisen liegen Ende August. Inwiefern sich der Gaza-Konflikt längerfristig negativ auf das touristische Geschäft auswirken könnte, möchte Heger nicht prognostizieren: «Das hängt mit der Dauer zusammen.»

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert