Die Andenkenindustrie, jeder Urlauber weiß es, ist eine der einträglichsten überhaupt. Milliarden werden mit Scheußlichkeiten in Eiffelturm- oder Lady-Liberty-Form umgesetzt. Ein deutscher Künstler hat eine ganz eigene Variante dieser Industrie entwickelt. Gunter Demnigs »Stolpersteine« sollen an Opfer der Schoa und andere NS-Verfolgte erinnern. Die Messingplatten werden in den Boden eingelassen. Für 120 Euro pro Stück wird so an mittlerweile 48.000 Menschen in 17 Ländern erinnert. Millionenumsätze mit den Opfern des millionenfachen Mordens.
Abgesehen davon, dass, so Kritiker, das Andenken an die Opfer buchstäblich mit Füßen getreten werde, beharrt Demnig auch noch auf der Deutungshoheit für »seine« Steine. Recherchen der taz, wonach er Nazibegriffe auf Stolpersteinen verwendet und damit NS-Opfer post mortem als »Volksschädling«, »Gewohnheitsverbrecher« und Täter im Sinne der »Rassenschande« denunziert haben soll, begegnete Demnig mit teutonischer Stur- und Geschichtsvergessenheit: »Die sind so vorgegeben. In den Akten.«
Gedenken Demnig ist ein prägnantes Beispiel für eine spezielle Form bundesrepublikanischen Gedenkmonopols. Es zeichnet sich dadurch aus, dass nichtjüdische Menschen wie Lea Rosh, Wolfgang Benz oder eben Demnig in öffentlichkeitswirksamen Debatten darüber befinden, welches Schoa-Gedenken adäquat sei. Unabdingbar ist dabei, dass von den Juden dann Dankbarkeit für derlei Erinnerungsengagement eingefordert wird.
Und dass die Vergangenheit, die Toten im Mittelpunkt stehen. Lebendige Juden, schon gar, wenn sie sich gegen Antisemitismus hier oder Hamas-Terror dort zur Wehr setzen, sind dann schon weniger wohlgelitten. Gunter Demnig hat dieses selbstgefällige Deutungsdiktat auf die Spitze getrieben: Opfergedenken als politisch korrekt ummantelter Businessplan. Wesentlich infamer geht es nicht. Die Stolpersteine sind längst zur moralischen Stolperfalle geworden.
Der Autor ist Sprecher der Jüdischen Gemeinde Hamburg und CvD des »Weser-Kurier«.