Herr Neuer, was ist UN Watch, und was wollen Sie erreichen?
Wir beobachten die Vereinten Nationen und messen das, was sie tun, an ihrer eigenen Charta. Es geht uns um Menschenrechte für alle. Wir legen besonderes Augenmerk auf den Kampf gegen einseitig antiisraelische Tendenzen, die die Fähigkeit der UNO einschränken, sich auf wirklich drängende Menschenrechtssituationen zu konzentrieren.
Lässt sich das, was Sie als einseitig anti-israelische Tendenzen ansehen, in Zahlen ausdrücken?
Jedes Jahr werden in der Generalversammlung in New York etwa 22 Resolutionen gegen Israel verabschiedet und insgesamt vier gegen alle anderen Länder der Welt. Schon seit Jahrzehnten liegt die Zahl der einseitigen Resolutionen gegen Israel ziemlich konstant bei über 20 im Jahr.
Viele Reden, die dieses Jahr von Staatschefs in der UNO-Generalversammlung gehalten wurden, enthielten eine Verurteilung Israels wegen der Behandlung der Palästinenser. Dabei haben diese Länder kaum jüdische oder palästinensische Bürger und mit dieser Region der Welt sehr wenig zu tun.
Für dieses Verhalten gibt es rationale und irrationale Gründe. Als Erstes ist der Stimmenhandel zu nennen. Es gibt 56 islamische Staaten, und sie machen aus dem Stimmenhandel gar keinen Hehl. Sie sagen zum Beispiel zu Brasilien: Ihr stimmt für unsere Anti-Israel-Resolutionen und veröffentlicht Anti-Israel-Verlautbarungen, dann werden wir euch im Gegenzug politische Unterstützung geben und für eure Resolutionen stimmen. Das passiert immer und überall. Auch wenn ein Land im Nahostkonflikt gar keine Interessen hat, ist es realpolitisch nun einmal so: Die haben 56 Stimmen und treiben einen zynischen Handel damit. Der zweite Grund ist Öl. Trotz interessanter Funde von Gasvorkommen vor der israelischen Küste bleibt es doch dabei, dass die arabische Welt den Ölmarkt beherrscht und den Rohstoff als Waffe benutzt, wie sie das seit 1973 getan hat. Die Araber sagen: Du stimmst für uns, und wir geben dir weiterhin Öl. Tust du es nicht, ist die Zapfsäule geschlossen. Grund Nummer drei sind die staatlichen Vermögensverwaltungsfonds. Die Golfstaaten haben Milliarden Dollar zu investieren – abhängig davon, wie ein jeweiliges Land in der UNO votiert.
Was sind die irrationalen Faktoren?
Wenn ich höre, wie europäische Diplomaten rechtfertigen, dass Israel sich in der UNO keiner Regionalgruppe anschließen kann, und wenn sie sagen, dass es nicht der westlichen Regionalgruppe beitreten könne, weil es nicht deren Werte teile, dann spüre ich das alte Vorurteil, von dem wir gehofft hatten, dass es nach 1945 aus Europa verschwunden sei.
Glauben Sie, dass das Israel-Bashing aufhören wird, wenn Israel und die Palästinenser jetzt wieder Friedensverhandlungen führen?
Nein, das tut es nicht. Die Geschichte zeigt vielmehr, dass es ein paradoxes Szenario gibt. Ägypten beispielsweise war in den letzten Jahrzehnten ein wichtiger Partner Israels bei der Sicherheitskooperation. Trotzdem stand das Mubarak-Regime oft an der Spitze, wenn es darum ging, in der UNO die bösartigsten, fanatischsten Anti-Israel-Resolutionen zu verabschieden, um sich auf diese Weise als das zu profilieren, was traurigerweise in der arabischen Welt unter einer »Leitnation« verstanden wird.
Wie werden Sie von den UN-Delegierten und anderen NGOs behandelt?
Ich bin der am meisten gehasste Mann im Menschenrechtsrat. Wenn ich in den Saal eintrete, spüre ich Hass von den radikalsten arabischen Diktaturen auf der Rechten bis zu den linksradikalen NGOs. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch sehr viel mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen und mit kleineren NGOs zusammen, die sich um Opfer aus Kuba, Iran, Burma und China kümmern.
Würde eine Reform der UNO Israel helfen?
Es gibt viele Reformen, die man unternehmen könnte, aber letztendlich ist nun einmal etwa die Hälfte der UNO-Mitgliedsstaaten nicht demokratisch. Um die UNO zu ändern, müsste man die Welt ändern. Und solange Kindern beigebracht wird, Israel und die Juden zu hassen, wird sich das in der Welt und der UNO manifestieren.
Hillel Neuer ist Direktor von UN Watch. Er vertritt seit 2009 jüdische Gruppen beim UN-Menschenrechtsrat in Genf. Das Gespräch führte Steward Ain. Wir danken der »Jewish Week«, New York, für die Abdruckgenehmigung. Übersetzung: Stefan Frank