Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist mit 1045 Stimmen in seinem Amt bestätigt worden und tritt damit seine zweite Amtszeit an. Der 66-Jährige, der die Wahlannahm, wurde von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition nominiert. Zusammen hatten sie in der Bundesversammlung eine breite Mehrheit. Steinmeier ist erst der fünfte Bundespräsident, der für eine zweite Amtszeit antritt. Zuletzt tat dies 2009 Horst Köhler, der dann aber ein Jahr später zurücktrat. Von insgesamt 1437 abgegebenen Stimmen waren 1425 gültig, 12 ungültig und es gab 86 Enthaltungen.
Gegenkandidaten Gegen den Amtsinhaber kandidierten für die Linke der Mediziner Gerhard Trabert (65), der 96 Stimmen erhielt. Für die AfD trat der Ökonom Max Otte (57) an. Er erhielt 140 Stimmen. Außerdem hatten die Freien Wähler die Physikerin Stefanie Gebauer (41) nominiert. Sie bekam 58 Stimmen. Alle drei hatten angesichts der Mehrheitsverhältnisse jedoch keine Chancen.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hatte Bürger und Politiker aufgerufen, auch unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie mutig zu sein und nicht die Nerven zu verlieren. In ihrer Begrüßungsrede zur Bundesversammlung sagte sie am Sonntag in Berlin: »Scheinbar unversöhnlich stehen Menschen sich gegenüber, die unterschiedliche Einstellungen haben. Die Stimmung im Land, in Familien, in Freundeskreisen leidet darunter. Dagegen hilft kein Impfstoff.«
Mit dem Ukraine-Konflikt, ungesteuerten Migrationsbewegungen, dem Klimawandel und den jüngsten Preissteigerungen kämen weitere Herausforderungen hinzu. Deshalb seien Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden jetzt so wichtig. »Lassen wir uns nicht einreden, dass wir anstehende Probleme nicht lösen können«, sagte Bas vor Beginn der Wahl des Bundespräsidenten, die pandemiebedingt nicht im Plenarsaal stattfand, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo mehr Platz ist.
Die Abgeordneten unter den Anwesenden rief Bas auf, den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr zuhören. Denn das könne die Debatte in der parlamentarischen Demokratie nur bereichern.
Kanzleramt Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium in Deutschland. Seine einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts alle fünf Jahre. Sie setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des Deutschen Bundestags und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die die 16 Landtage entsenden. Da der Bundestag derzeit 736 Abgeordnete zählt, bestand die Bundesversammlung aus 1472 Wahlfrauen und -männern - so viele wie nie zuvor.
Der Pianist Igor Levit, der von den Grünen für die Bundesversammlung delegiert wurde, sagte vor Beginn der Bundesversammlung in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix: «Er muss deutlich sein, er muss aber auch Empathie zeigen gegenüber der Gesamtbevölkerung. Er muss aber rote Linien ziehen gegenüber denjenigen, die diese Pandemie nutzen als Katalysator, um im Grunde genommen den gesamten Staat infrage zu stellen und unsere Gesamtdemokratie. Und das tut er auf vorbildliche Art und Weise», sagte Levit über Steinmeier.
Rabbiner Andreas Nachama und Imam Sanci vom House of One waren beim Gottesdienst zur Bundesversammlung dabei.
Paul-Löbe-Haus Wegen der Corona-Pandemie traf sich die Bundesversammlung diesmal nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo mehr Platz ist. Dort sind zahlreiche Büros von Abgeordneten untergebracht.
Alle Delegierten mussten einen negativen Corona-Test nachweisen, um an der Bundesversammlung teilnehmen zu können. Dazu wurde vor dem Reichstagsgebäude eigens ein Testzentrum aufgebaut, vor dem sich am Samstag zeitweise eine lange Schlange bildete. dpa, kat