Zum Auftakt des Gemeindetags des Zentralrats der Juden hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekräftigt, dass Deutschland trotz Antisemitismus die Heimat von Jüdinnen und Juden bleibt. »Deutschland wird, und dafür trete ich persönlich ein, dafür tritt die übergroße Mehrheit aller Deutschen ein, eine Heimat für Juden bleiben«, sagte er laut Redemanuskript am Donnerstagabend auf dem 5. Gemeindetag in Berlin.
Zentralratspräsident Josef Schuster betonte, dass sich Juden nicht aus Deutschland vertreiben ließen. »Wir Juden werden uns nicht unterkriegen lassen«, sagte er laut Redemanuskript. »Wer Juden hasst, ist herzlich eingeladen, unser Land – Deutschland – zu verlassen. Wir treten ganz sicher nicht zur Seite.« Juden träten für ihre Recht ein, in Freiheit und ohne Angst zu leben. Sie würden sich nicht verstecken: »Nein, wir sind stolze Juden.«
Zum Gemeindetag wurden rund 1300 Mitglieder jüdischer Gemeinden bundesweit erwartet. Er findet regelmäßig statt, musste aber wegen der Corona-Pandemie eine Pause einlegen. Die Veranstaltung dauert bis Sonntag und steht unter dem Leitgedanken »Zusammen leben«. Zur Eröffnung kam auch Israels Botschafter Ron Prosor. Am Abend wurden die Chanukkakerzen angezündet.
Baerbock und Buschmann
In den nächsten Tagen sind auch Redebeiträge, etwa von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geplant. Hinzu kommen zahlreiche Podien zu Themen wie Israel nach dem Terror der Hamas, Antisemitismus, Situation in den Gemeinden und religionsgesetzlichen Fragen.
Die Teilnehmenden wollten die Tage nutzen, um Orientierung zu finden, erklärte Schuster. »Für uns Juden ist es in den vergangenen Wochen zunehmend schwer geworden, sich in unserem Land, in Deutschland, zugehörig zu fühlen.«
Es gäre, und zugleich habe das Land ein »unfassbares Potenzial«, betonte Schuster. »Ich will nicht glauben, dass es uns im Stich gelassen hat, aber wir brauchen dafür mehr als das, was wir sehen.« Bekenntnisse reichten nicht, und Relativierungen seien schmerzhaft. Um Werte müsse gekämpft werden. »Das müssen wir nach mehr als zwei Monaten des offenen Judenhasses auf deutschen Straßen ohne Wenn und Aber feststellen. Deutschland darf daran nicht scheitern. Deutschland darf nicht an sich selbst scheitern.«
Leid der Kinder
Der Bundespräsident erinnerte daran, dass es die Hamas gewesen sei, die am 7. Oktober den Krieg gegen Israel ausgelöst habe und die palästinensische Bevölkerung als Schutzschild missbrauche. Es gebe großes Leid im Gazastreifen. »Auch mir geht das sehr nah. Und auch in unserem Land muss öffentlicher Raum sein, den Schmerz über die palästinensischen Opfer, über das Leid der Kinder zu zeigen.«
Auch Schuster sagte, er denke an unschuldige Zivilisten im Gazastreifen: »Auch sie müssen von der Hamas befreit werden.« Prosor erklärte, es sei »ein unvermeidlicher Krieg, der aber zu größeren sozialen Zusammenhalt geführt hat, als je zuvor«.
Es gebe jetzt die Notwendigkeit, sich in der jüdischen Gemeinschaft auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Die Unterstützung der deutschen Regierung müsse in die Bevölkerung getragen werden, insbesondere zur Jugend. Der interreligiöse Dialog müsse »neu aufgebaut« werden: Wer die Taten der Hamas nicht verurteile, könne kein Freund und Partner sein.
Der Bundespräsident sagte zugleich: »Wo sich jedoch in diese Trauer, in das Mitleiden mit den Menschen in Gaza, ein roher Antisemitismus mischt, der Hass auf Juden und auch der Wunsch, Israel als freien und selbstbestimmten Staat der Juden auszulöschen, da werden wir nicht schweigen. Nichts rechtfertigt diesen Hass, nichts rechtfertigt Antisemitismus.« Dieser müsse bekämpft werden. Dass es einen solchen Judenhass auch in Deutschland gebe, mache ihn zornig.