Für den französischen Außenminister Bernard Kouchner ist der Fall »ein Verstoß gegen das Weltgewissen«. Sein britischer Amtskollege William Hague nennt das Urteil eine »mittelalterliche Bestrafung«, und US-Außenministerin Hillary Clinton protestiert durch ihren Sprecher gegen diesen »barbarischen und widerlichen Akt«. Ausgelöst hat die internationale Empörung das Schicksal der 43-jährigen Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Die Mutter zweier Kinder wurde im Iran zum Tod durch Steinigung verurteilt – wegen angeblichen Ehebruchs, was im Strafrecht der Islamischen Republik »ein Verbrechen gegen Gott« ist. Am vergangene Wochenende gab Teheran dem diplomatischen Druck nach und setzte die Vollstreckung »vorerst« aus. Ob damit auch die drohende Todesstrafe abgewendet ist, ist nach Angaben ihres Anwalts unklar.
steinigung Es gibt keine sicheren Angaben, wie viele Menschen im Iran derzeit zum Tod durch Steinigung verurteilt sind. Amnesty International geht von mindestens zehn Fällen aus, darunter sieben Frauen. Im März 2009 wurde am Kaspischen Meer ein Mann auf diese Weise hingerichtet. Während der ersten Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad sollen es insgesamt vier Menschen gewesen sein, meist werden die Schicksale nicht bekannt.
Anders als bei Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Ihr 22-jähriger Sohn Sajad schrieb mehr als 100 Briefe, unter anderem an Revolutionsführer Ali Chamenei und Präsident Ahmadinedschad. Sechsmal reiste er vergeblich nach Teheran, um eine Begnadigung seiner Mutter zu erreichen. Überall ließ man ihn abblitzen. Erst als der Exekutionstermin näher rückte, wandte er sich an internationale Organisationen, die seit Jahrzehnten die miserable Lage der Menschenrechte im Iran beklagen.
Neben den Steinigungen kritisieren sie vor allem die Hinrichtung minderjähriger Straftäter, Peitschenhiebe und Amputationen sowie den exzessiven Einsatz der Todesstrafe: 2009 wurden nach Erkenntnissen von Amnesty mindestens 318 Verur- teilte hingerichtet, darunter vier Männer, die zur Tatzeit keine 18 Jahre alt waren.
angst Nach den Protesten gegen die manipulierte Präsidentenwahl 2009 wurden mehr als 5.000 Menschen verhaftet, viele gefoltert und vergewaltigt. Rund 100 Intellektuelle, Politiker und Künstler erhielten Haftstrafen bis zu 16 Jahren. Sechs Demonstranten warten in Todeszellen auf ihre Hinrichtung. Im Iran herrsche »ein Klima der Angst« und ein »Drehtürsystem« von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, beklagt Amnesty.
Trotzdem hatte der Iran im Februar vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf die Stirn, alle Vorwürfe weit von sich zu weisen. Iran sei »eine der profiliertesten Demokratien« in der Region und ein »wirklicher und beharrlicher« Verteidiger der Menschenrechte, erklärte Mohammad-Javad Laridschani, seit Kurzem Generalsekretär des Hohen Rates für Menschenrechte in seinem Land. Während sich das Land, ohne dass es zu nennenswerten Protesten gekommen wäre, in die UN-Frauenrechtskommission wählen ließ, verzichtete es immerhin auf seine Bewerbung für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Zu einhellig war der Widerstand von Menschenrechtsgruppen – angeführt von der iranischen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die seit Jahren gegen die Todesstrafe in ihrer Heimat kämpft.
Hinrichtungen Rund 100 Jugendliche warten nach Angaben iranischer Strafverteidiger derzeit auf ihre Todesstrafe. Einer ist Mohammad Reza Haddadi, dessen Exekution offenbar noch im Juli erfolgen soll. Er war als 15-Jähriger an einem Mord beteiligt und wurde 2005 verurteilt. Eine solche Hinrichtung sei »eine klare Verletzung« von Irans internationalen Pflichten, wie sie in der UN-Konvention für bürgerliche und politische Rechte sowie in der UN-Kinderrechtskonvention niedergelegt seien, schrieb kürzlich EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Teheran. Beide Verträge hat der Iran unterzeichnet, sie verbieten ausdrücklich die Todesstrafe für minderjährige Täter.