Iran

Steine und Peitschen

»Rettet Sakineh« fordert diese Frau bei einer Demonstration in London Foto: getty

Iran

Steine und Peitschen

Das Mullah-Regime tritt die Menschenrechte mit Füßen

von Martin Gehlen  12.07.2010 16:33 Uhr

Für den französischen Außenminister Bernard Kouchner ist der Fall »ein Verstoß gegen das Weltgewissen«. Sein britischer Amtskollege William Hague nennt das Urteil eine »mittelalterliche Bestrafung«, und US-Außenministerin Hillary Clinton protestiert durch ihren Sprecher gegen diesen »barbarischen und widerlichen Akt«. Ausgelöst hat die internationale Empörung das Schicksal der 43-jährigen Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Die Mutter zweier Kinder wurde im Iran zum Tod durch Steinigung verurteilt – wegen angeblichen Ehebruchs, was im Strafrecht der Islamischen Republik »ein Verbrechen gegen Gott« ist. Am vergangene Wochenende gab Teheran dem diplomatischen Druck nach und setzte die Vollstreckung »vorerst« aus. Ob damit auch die drohende Todesstrafe abgewendet ist, ist nach Angaben ihres Anwalts unklar.

steinigung Es gibt keine sicheren Angaben, wie viele Menschen im Iran derzeit zum Tod durch Steinigung verurteilt sind. Amnesty International geht von mindestens zehn Fällen aus, darunter sieben Frauen. Im März 2009 wurde am Kaspischen Meer ein Mann auf diese Weise hingerichtet. Während der ersten Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad sollen es insgesamt vier Menschen gewesen sein, meist werden die Schicksale nicht bekannt.

Anders als bei Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Ihr 22-jähriger Sohn Sajad schrieb mehr als 100 Briefe, unter anderem an Revolutionsführer Ali Chamenei und Präsident Ahmadinedschad. Sechsmal reiste er vergeblich nach Teheran, um eine Begnadigung seiner Mutter zu erreichen. Überall ließ man ihn abblitzen. Erst als der Exekutionstermin näher rückte, wandte er sich an internationale Organisationen, die seit Jahrzehnten die miserable Lage der Menschenrechte im Iran beklagen.

Neben den Steinigungen kritisieren sie vor allem die Hinrichtung minderjähriger Straftäter, Peitschenhiebe und Amputationen sowie den exzessiven Einsatz der Todesstrafe: 2009 wurden nach Erkenntnissen von Amnesty mindestens 318 Verur- teilte hingerichtet, darunter vier Männer, die zur Tatzeit keine 18 Jahre alt waren.

angst Nach den Protesten gegen die manipulierte Präsidentenwahl 2009 wurden mehr als 5.000 Menschen verhaftet, viele gefoltert und vergewaltigt. Rund 100 Intellektuelle, Politiker und Künstler erhielten Haftstrafen bis zu 16 Jahren. Sechs Demonstranten warten in Todeszellen auf ihre Hinrichtung. Im Iran herrsche »ein Klima der Angst« und ein »Drehtürsystem« von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, beklagt Amnesty.

Trotzdem hatte der Iran im Februar vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf die Stirn, alle Vorwürfe weit von sich zu weisen. Iran sei »eine der profiliertesten Demokratien« in der Region und ein »wirklicher und beharrlicher« Verteidiger der Menschenrechte, erklärte Mohammad-Javad Laridschani, seit Kurzem Generalsekretär des Hohen Rates für Menschenrechte in seinem Land. Während sich das Land, ohne dass es zu nennenswerten Protesten gekommen wäre, in die UN-Frauenrechtskommission wählen ließ, verzichtete es immerhin auf seine Bewerbung für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Zu einhellig war der Widerstand von Menschenrechtsgruppen – angeführt von der iranischen Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die seit Jahren gegen die Todesstrafe in ihrer Heimat kämpft.

Hinrichtungen Rund 100 Jugendliche warten nach Angaben iranischer Strafverteidiger derzeit auf ihre Todesstrafe. Einer ist Mohammad Reza Haddadi, dessen Exekution offenbar noch im Juli erfolgen soll. Er war als 15-Jähriger an einem Mord beteiligt und wurde 2005 verurteilt. Eine solche Hinrichtung sei »eine klare Verletzung« von Irans internationalen Pflichten, wie sie in der UN-Konvention für bürgerliche und politische Rechte sowie in der UN-Kinderrechtskonvention niedergelegt seien, schrieb kürzlich EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Teheran. Beide Verträge hat der Iran unterzeichnet, sie verbieten ausdrücklich die Todesstrafe für minderjährige Täter.

Hamburg

Opfer mutmaßlich antisemitischer Attacke sagt vor Gericht aus

Die 55-jährige Geschädigte soll im Mai vergangenen Jahres von der 27 Jahre alten Angeklagten beleidigt, gewürgt und ins Gesicht geschlagen worden sein

 09.04.2025

Angriff auf Lahav Shapira

Prozess gegen Mustafa A.: Eine Tat, drei Zeugen und viele offene Fragen

In Berlin ist der erste Prozesstag gegen den Angreifer auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira zu Ende gegangen. Ein Überblick über die Vorgeschichte, den Tathergang und das mögliche Motiv

von Mascha Malburg  08.04.2025

Vereinte Nationen

Francesca Albanese geht in die Verlängerung

Gegen ihre erneute Bestellung als Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats gab es Einwände. Doch sie wurden ignoriert. Die Hintergründe eines dubiosen Verfahrens

von Michael Thaidigsmann  08.04.2025

Rücktritt

Naftali Fürst nicht mehr Präsident des Buchenwald-Komitees

Seine Nachfolge tritt die langjährige Generalsekretärin des Komitees Lena Sarah Carlebach an

 08.04.2025

Buchenwald-Gedenken

»Nehmen wir doch bitte das Gift aus der Debatte!«

Nach dem Eklat um die abgesagte Rede Omri Boehms sieht sich Jens-Christian Wagner scharfer Kritik seitens des israelischen Botschafters ausgesetzt. Wie blickt der Gedenkstättenleiter auf die heftige Diskussion der vergangenen Tage? Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  08.04.2025

Abschiebepolitik

Antisemitismusbeauftragter Blume lehnt Bundesverdienstkreuz ab

Als die IS-Terroristen im Irak einen Genozid an Jesiden verübten, war Michael Blume an der Rettung vieler Menschen beteiligt. Doch das Bundesverdienstkreuz lehnt er ab

 08.04.2025

Islamismusforschung

Bundesforschungsminister Özdemir: Islamisten werden immer jünger

15 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium seit 2020 für die Erforschung des Islamismus ausgegeben. Die Herausforderung durch die religiösen Fanatiker werde wachsen, hieß es dazu in Berlin

 08.04.2025

Prozess

Angreifer von Lahav Shapira bestreitet antisemitisches Motiv

Lahav Shapira wurde im Februar 2024 von einem Kommilitonen schwer verletzt. Der Angeklagte zeigt zum Prozessauftakt Reue. Ob die Tat antisemitisch motiviert war, wird für das Strafmaß entscheidend sein

 08.04.2025

Geburtstag

Zum 90. Geburtstag des israelischen Diplomaten Avi Primor

Von 1993 bis 1999 war Avi Primor Israels oberster Repräsentant in Berlin. Auch im hohen Alter gilt er als eine der profiliertesten Stimmen im deutsch-israelischen Dialog und als Kritiker seiner Regierung

von Andrea Krogmann  08.04.2025