Nachruf

Staatsmann und Visionär

Helmut Schmidt (1918–2015) Foto: dpa

Es gibt wenige Menschen, die in ihrer Wirkung derart überwältigen, dass das Gegenüber sie nur schwer mit einfachen und klaren Kategorien fassen kann. Helmut Schmidt war so ein Mensch. Er verkörperte einen Staatsmann, der keine Fahrt um eine scharfe Kurve scheute, und das nicht nur auf politischer Autobahn. Scharfe Worte waren seine Spezialität.

In seiner Wirkung – vermeintlich resigniert in seiner Haltung – immer meinungssicher, kritisierte er unverblümt die Entscheidungen anderer und beschied deren Fähigkeiten auch mal vernichtende Urteile. Er war nicht von seinen harschen Urteilen abzubringen, auch wenn es manchmal an konkreten Vorschlägen haperte. Man muss wohl ein Kanzler gewesen oder ein jahrhundertlanges Leben hinter sich gelassen haben, um heutzutage eine solch schonungslose Gradlinigkeit zu bewahren.

Israel Er war konsequent – auch in seiner Widersprüchlichkeit. Für den jungen Staat Israel war Helmut Schmidt ein schwieriger Partner. Sein Wunsch nach Frieden in der Region war die treibende Kraft bei seiner frühen Kritik am Siedlungsbau. Aber auch seine Suche nach den im Gegensatz zu Israelis einfacheren Partnern war ein Motiv, als er sich für den Waffenhandel mit Saudi-Arabien aussprach.

Konsequent war er auch im Umgang mit dem damaligen israelischen Premier Menachem Begin, der die diplomatische Nähe zur jungen Bundesrepublik schon früher ablehnte, in Schmidt nur einen treuen Wehrmachtssoldaten sah und ihn dies auch immer wieder wissen ließ. Helmut Schmidt und Menachem Begin waren wie zwei Radfahrer auf einem Tandem, auf dem sie eigentlich nicht zusammen radeln wollten, die jedoch von der Geschichte unausweichlich zusammengebracht wurden. Dies führte zu einer der kühlsten Phasen der Beziehungen zwischen beiden Ländern und den beiden sturen Staatsmännern.

Europa Schmidt bekräftigte immer wieder aufs Neue, dass der Schwerpunkt der deutschen politischen besonderen Verantwortung in Europa liege – nicht zuletzt wegen des Holocausts. Der Ansatzpunkt seiner Außenpolitik war die beschämende Tat des millionenfachen Völkermordes – nicht die Opfer.

Das Projekt Europäische Gemeinschaft war nach seiner Auffassung die direkte Folge, das unmittelbare Heilmittel für das von Nazideutschland zerrissene Europa. In seinem Verständnis war das Zusammenwachsen der Nachbarstaaten hierzulande richtig, eine Einmischung in Angelegenheiten anderer Länder dagegen falsch und wenig zielführend. Die gemeinsamen Werte und Ziele in der EU, die Ideenschöpfung der gemeinsamen Währung waren für ihn die treibende Kraft zum Frieden.

Helmut Schmidt ist am Dienstag im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.

Lesen Sie einen ausführlichen Nachruf in der kommenden Ausgabe am Donnerstag.

Nahost

EU startet Einsatz von Grenzschützern in Rafah

Die Wiedereröffnung des Grenzübergangs nach Gaza gilt als eine Voraussetzung dafür, dass das durch den Krieg der Hamas verursachte Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen gelindert werden kann. Jetzt sind EU-Experten vor Ort

 31.01.2025

Berlin

Kränze am Holocaust-Mahnmal zerpflückt und Zeugen angegriffen

Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts ermittelt

 31.01.2025

Berlin

Wolffsohn: »Wechselnde Mehrheiten für wechselnde Themen«

Der Historiker verteidigt das Vorgehen der CDU im Bundestag. Er hofft auf ein »Zurückschrumpfen« der Rechtsextremen im Parlament

 31.01.2025

Berlin

Bundestag entscheidet über Migrationsgesetz - Nur mit der AfD?

Die Union will am Freitag ihr sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz zur Abstimmung bringen. Es könnte erneut zu einer Mehrheit mithilfe der AfD kommen

 31.01.2025

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025

Studie

Wann war die AfD bei Abstimmungen wichtig?

Die AfD hat im Bundestag für eine Mehrheit des Unionsantrags für schärfere Migrationspolitik gesorgt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mehrheiten beschafft

 30.01.2025