Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hält Äußerungen von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) anlässlich einer Demonstration der NPD gegen Journalisten im November vergangenen Jahres für gerechtfertigt. Das Gericht wies am Dienstag einen Antrag des NPD-Landesverbandes in einem Organstreitverfahren zurück.
Die rechtsextreme Partei hatte dem Ministerpräsidenten vorgeworfen, er habe mit Tweets gegen den Aufmarsch seine politische Neutralitätspflicht missachtet. Dem folgte der Staatsgerichtshof mit Sitz in Bückeburg nach Angaben eines Sprechers nicht. (AZ: StGH 6/19)
Weil habe sich vor einem unverzichtbaren Grundpfeiler der Demokratie gestellt, nämlich die Institution »Freie Presse« und die Pressefreiheit.
Weil hatte den Angaben zufolge neun Tweets gegen den Aufmarsch mit seiner Nutzeradresse als Ministerpräsident @MpStephanWeil versendet. Damit habe er seine Amtsautorität in Anspruch genommen. Außerdem stellten die Tweets einen Eingriff in das Recht auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb dar.
Sie bezweckten nämlich, dass Leserinnen und Leser entweder der Demonstration der NPD fernblieben oder sich der Gegendemonstration anschlossen. Aus Sicht der NPD verstießen sechs dieser Tweets gegen das Recht auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb aus Artikel 21 des Grundgesetzes.
Der Ministerpräsident kann nach Ansicht der Richter sein Handeln damit rechtfertigen, dass er als Teil des Verfassungsorgans »Landesregierung« die ihm zustehende Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit genutzt habe. Weil habe sich vor einem unverzichtbaren Grundpfeiler der Demokratie gestellt, nämlich die Institution »Freie Presse« und die Pressefreiheit. So habe er Journalistinnen und Journalisten gegen den konkreten Angriff einer als verfassungsfeindlich festgestellten Partei geschützt.
Es gehöre zu den Amtspflichten des Ministerpräsidenten, sich schützend vor die freiheitlich demokratische Grundordnung und ihre Institutionen zu stellen, urteilten die Richter.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, dass die NPD mit ihren Zielen die Grundprinzipien des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaats missachtet, dürfe sie sich auf das Grundgesetz berufen, stellten die Richter klar. Es gelte der Grundsatz fort, dass die verfassungsfeindliche Partei zwar politisch bekämpft, ihre politische Aktivität aber nicht behindert werden dürfe.
Es gehöre jedoch zu den Amtspflichten des Ministerpräsidenten, sich schützend vor die freiheitlich demokratische Grundordnung und ihre Institutionen zu stellen, urteilten die Richter. Er müsse die Bevölkerung für demokratiegefährdende Entwicklungen sensibilisieren sowie das bürgerschaftliche Engagement dagegen stärken. Seine Neutralitätspflicht sei insoweit eingeschränkt.