Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat muslimische Verbände zum Einsatz gegen Antisemitismus aufgefordert. Es brauche »konkrete Basisarbeit in den Gemeinschaften vor Ort«, schreibt Kubicki in einem Gastbeitrag für die »Welt« (Dienstag).
Wenn Gruppierungen antisemitische Propaganda verbreiteten, müssten diejenigen muslimischen Verbände gegensteuern, »die sich unserer Rechts- und Werteordnung verschrieben haben«.
Vonseiten der Politik brauche es ein »klares Zuwanderungsmanagement«, so der Vizepräsident des Bundestages. »Auch wenn wir aus humanitären Gründen Menschen aufnehmen, haben wir eine gewisse Mindesterwartung, die wir frühzeitig kommunizieren und fördern müssen.«
Dazu gehöre: »Wer sich für Deutschland entscheidet, entscheidet sich für das unumstößliche Existenzrecht Israels.« Da viele »der Menschen, die ihren Hass vor den Synagogen nach draußen schreien«, bereits in dritter oder vierter Generation in Deutschland lebten, gingen Forderungen nach Ausweisungen an der Sache vorbei, so Kubicki.
Generell sei der Antisemitismus in Deutschland »erschreckend lebendig«, mahnte der Politiker. Es gebe ihn »im rechten wie im linken Lager, und Christen und Atheisten und verstärkt auch in migrantischen und muslimischen Milieus«. Das Problem spiele sich »nur in einem kleinen Teil in dieser Gemeinschaft ab, dort aber in einem Ausmaß, das es notwendig macht, ihn mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen«.
Auch die Entscheidung des NRW-Schulministeriums, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) in die Kommission für die Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts einzubinden, sorgt weiter für Kritik.
Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Stephan Thomae, mahnte am Wochenende, islamischer Religionsunterricht müsse »frei von jeglichen Einflüssen ausländischer Akteure angeboten werden.« Bei Ditib lägen »erhebliche Entscheidungsbefugnisse bei Funktionären des türkischen Religionsamts Diyanet«.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries bezeichnete den direkten Einfluss der türkischen Regierung auf die rund 900 Ditib-Gemeinden als »hochproblematisch«. Dieser zeige sich konkret »in der Bespitzelung von Oppositionellen, in Kriegsverherrlichung und immer wiederkehrenden Hasspredigten auf Christen, Juden und Menschen ohne Glaubensbekenntnis«.
Grünen-Politiker Cem Özdemir forderte in der Welt, die Entscheidung müsse rückgängig gemacht werden. »Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und die CDU dort haben dafür gesorgt, dass Erdogan Zugang zu deutschen Schulen bekommt. Das ist unfassbar«, so Özdemir.
Die Muslime in Deutschland hätten »jedes Recht, ihre religiösen Bedürfnisse zu äußern«; auch gebe es inzwischen eine bessere Ausbildung für islamische Religionslehrer. Es sei jedoch »ungeheuerlich«, jene islamischen Gruppen zu verraten, die sich zum Grundgesetz und der offenen Gesellschaft bekennen.
Das FDP-geführte Schulministerium in NRW hatte die Wiederaufnahme der Kooperation mit der Ditib unter anderem mit einer Satzungsänderung des Landesverbandes begründet, durch die nun eine größere Unabhängigkeit vom türkischen Staat gewährleistet werden soll. Kritik daran hatten zuletzt auch Landtagsabgeordnete von CDU und Grünen geäußert.
Derweil werden Rufe nach mehr Konsequenz und einer härteren Gangart im Umgang mit Antisemiten laut. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder bezeichnete Antisemitismus als ein schweres Vergehen. »Da sollten wir auch mit höheren Strafen operieren«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fügte in der »Bild am Sonntag« hinzu, wenn Asylbewerber an anti-israelischen Demonstrationen teilnähmen, müssten Abschiebungen möglich sein. Und FPD-Innenpolitiker fordern in einem Positionspapier, dass nicht eingebürgert werden dürfe, wer zu Hass aufrufe.
Zudem rückt das Thema Integration in den Blickpunkt. Wenn junge Menschen »aus Marokko oder aus der Türkei« nach Deutschland kämen, müsse man ihnen erklären, dass die Deutschen für das Existenzrecht Israels eine besondere Verantwortung hätten, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.
Beispielsweise solle man Jugendliche zu Besuchen in KZ-Gedenkstätten ermuntern. Zuvor hatte die Erziehungsgewerkschaft GEW darauf hingewiesen, dass der Antisemitismus auch an Schulen wachse. Neben rechtsstaatlicher Härte, so Schäuble, brauche es den »Konsens der Politik, dass es keinen Platz für Antisemiten gibt«. kna/ja