Das Jahr 2012 war kein gutes Jahr für die israelisch-europäischen Beziehungen. Und es bestehen berechtigte Zweifel, ob das 2013 besser wird. Wahrscheinlich ganz im Gegenteil. Vor allem an der Frage des Siedlungsbaus scheiden sich die Geister. Die Europäische Union hat seit jeher Israels Aktivitäten im Westjordanland kritisiert.
Nach Ansicht der Staatengemeinschaft verstößt jedes neue Gebäude jenseits der Grünen Linie gegen internationales Recht. Als Premierminister Benjamin Netanjahu kürzlich erklärte, im umstrittenen Areal E1, welches Jerusalem mit dem Vorort Maale Adumim verbindet, bauen zu wollen, wählte die EU ungewohnt scharfe Worte. Man sei »zutiefst besorgt und bestürzt« über die israelischen Siedlungspläne und kündigte an, die Situation aufmerksam verfolgen und »entsprechend handeln« zu wollen.
rüffel In Israel wurde in den vergangenen Monaten viel über das iranische Atomprogramm diskutiert. Medien und Politiker sprechen in diesem Zusammenhang gerne von der »iranischen Bedrohung«. Aber nachdem die EU ihre harsche Kritik an Israel verlautbaren ließ, ging es plötzlich um »die europäische Bedrohung«. Natürlich kann man den Rüffel aus Brüssel nicht mit Teherans Hasstiraden vergleichen. Aber viele Israelis fühlen sich im Stich gelassen von Europa. Dies vor allem wegen immer schärfer werdender Rhetorik sowie der unfair und einseitig wirkenden Parteinahme zugunsten der Palästinenser durch führende EU-Staaten wie Frankreich und ja, auch Deutschland.
So war abzusehen, dass eine überwältigende Mehrheit der 193 UNO-Mitgliedsstaaten gegen Israels Willen für den Antrag der Palästinenser auf Anerkennung als »Beobachterstaat« stimmen würde. Dass aber neben Österreich, Norwegen und Spanien auch Italien und Frankreich mit Ja votierten, Deutschland sich enthielt und am Ende nur die Tschechen auf der Seite des jüdischen Staates standen, hat viele Israelis schwer enttäuscht.
Aber es kam noch schlimmer. Als Netanjahu ankündigte, die Siedlungen und das E1-Gebiet ausbauen zu lassen, bestellten die EU und mehrere Mitgliedsstaaten die israelischen Botschafter ein, um ihnen die Leviten zu lesen. So etwas gab es noch nie.
verbale ohrfeigen Nachdem Israels Regierungschef noch weitere Siedlungsbauten versprach, veröffentlichten vier europäische Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrates eine äußerst israelkritische Erklärung. Frankreich, Deutschland, Portugal und das Vereinigte Königreich seien »extrem besorgt« über Jerusalems Pläne, hieß es dort. Sie schickten eine negative Botschaft und »untergraben den Glauben an Israels Verhandlungswillen«. Doch 2013 könnte es um mehr als nur verbale Ohrfeigen gehen. Falls Netanjahu, wie zurzeit angenommen, im Januar wiedergewählt wird und tatsächlich den Siedlungsbau ankurbelt, könnten die Europäer ihre Drohungen in die Tat umsetzen.
Mit Irland hat am 1. Januar auch noch Europas israelkritischstes Land die EU-Präsidentschaft übernommen. Dublins Außenminister Eamon Gilmore sprach bereits im November davon, dass er es gerne sähe, wenn der Import israelischer Produkte aus dem Westjordanland zukünftig mit »Aus den besetzten palästinensischen Gebieten stammend« gekennzeichnet würde. Zusammen mit Dänemark, Finnland und Portugal suchte Irland unlängst zu verhindern, dass ein Statement der EU-Außenministerkonferenz auch eine kurze Verurteilung der Hamas enthielt.
tabu Irland steht ebenfalls im Verdacht, die Hamas nicht länger ignorieren zu wollen. Offiziell steht die radikal-islamische Bewegung zwar auf der EU-Liste terroristischer Vereinigungen, aber es mehren sich Stimmen, die meinen, dass man die immer einflussreichere Gruppe nicht länger komplett ausschließen könne. In Jerusalem glaubt man indes, dass selbst Dublin es nicht wagen wird, mit dem Tabu zu brechen, schon allein, um nicht Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vor den Kopf zu stoßen. Mit Norwegen und der Schweiz gibt es allerdings bereits zwei EU-Nichtmitgliedsstaaten, die Kontakte zur Hamas pflegen.
Unterdessen wurde in Europa kurzfristig sogar ein Einreiseverbot für gewalttätige Siedler diskutiert. Da Israel in den Augen einiger EU-Diplomaten nicht konsequent genug gegen handgreiflich gewordene jüdische Bewohner des Westjordanlandes vorgeht, stellt man sich eine »Strafliste« vor.
Trotz allem hofft Israel auf konstruktive Beziehungen mit Europa. Der Sprecher des Jerusalemer Außenministeriums, Yigal Palmor, betont, dass sie darauf ausgerichtet sein sollten, Friedensverhandlungen mit den Palästinensern voranzutreiben und Lösungen für die Probleme in der Region zu finden. Zwar gebe es in der EU die Meinung, dass die Beziehungen mit Israel stets vom Fortgang des Friedensprozesses abhängig sein sollten. Das eine dürfe aber nicht mit dem anderen vermischt werden, so Palmor, da sonst beides stagnieren werde. Wie gesagt: Keine guten Aussichten für 2013.