»Spiegel«-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit hat die »Süddeutsche Zeitung« (»SZ«) für ihre Berichterstattung zur Flugblatt-Aiwanger-Affäre kritisiert. »Der Hauptfehler war die Art des Erzählens«, sagte der 60-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur. »Dass die Kollegen nicht mit einer Nachricht rausgegangen sind, sondern mit einer erzählenden Reportage, die vieles mitreflektiert, unterstellt und nahelegt. Da wären Sachlichkeit und Direktheit besser gewesen.«
Die »SZ« brachte im August vor der Landtagswahl in Bayern die Affäre ins Rollen. Bei dem Fall geht es um ein antisemitisches und menschenverachtendes Flugblatt, das bei Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zu Schulzeiten gefunden worden war. Dieser geriet massiv unter Druck. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) entschied sich gegen Aiwangers Entlassung aus dem Kabinett.
Politiker Aiwanger sprach von einer gezielten Kampagne. Die »SZ« trat der Kampagnen-Kritik entgegen und veröffentlichte den Hergang der eigenen Recherche und die Gründe, warum sie die Vorwürfe aufgriff. Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolle der Presse prüft derzeit auf Grundlage von Einzelbeschwerden mehrere »SZ«-Artikel.
»In manchen Punkten nicht sicher«
Der »Spiegel« hatte auch zu dem Fall recherchiert, wie Kurbjuweit im dpa-Interview bestätigte. Auf die Frage, ob er verärgert oder froh sei, dass das Nachrichtenmagazin nicht vor der »SZ« berichtet habe, sagte er: »Ich bin darüber froh. Wir hatten diese Informationen auch, aber waren nicht so weit, dass wir sie hätten veröffentlichen wollen. Wir waren uns in manchen Punkten nicht sicher.« Die »SZ« habe sich eine Menge Ärger eingehandelt, denn sie habe Fehler gemacht. »Es war richtig, dass wir gewartet haben.«
Der »Spiegel«-Chefredakteur kündigte im dpa-Gespräch auch an, die Qualität im eigenen Haus ausbauen zu wollen. Man wolle »die publizistische Wucht des »Spiegel« weiter stärken«. Kurbjuweit rückte im Mai überraschend an die Spitze der Redaktion.
Auf die Frage, was sich an der Qualität verbessern müsse, führte der Journalist, der zuletzt im »Spiegel«-Hauptstadtbüro gearbeitet hatte, aus: »Ich habe meinen Beruf immer so verstanden, dass ich ständig dazulernen will, auch mittels meiner Fehler. Wir sind kein starres System, sondern ein lernendes.«
Sprache, Struktur, Gedankentiefe, Verständlichkeit, Anschaulichkeit, Originalität – das seien die Kriterien im Haus, nicht nur für den Text, auch für Audio und Video. »Wir erstellen nach und nach einen atmenden Katalog an Standards, der unsere Qualität verbessert.« dpa