Viel war vergangene Woche die Rede von Günter Grass’ Auftritt in der Berliner SPD-Parteizentrale und seiner Kennzeichnung der Bundeswehr als »Söldnertruppe«. Kanzlerkandidat Steinbrück, der zusammen mit dem Schriftsteller auf dem Podium saß, distanzierte sich umgehend.
Untergegangen ist dabei ein weiterer Satz von Grass, der es ebenfalls in sich hat. Der Berliner Tagesspiegel zitiert den Literaturnobelpreisträger mit der Aussage, »dass vieles vor- und fremdbestimmt ist von Mächten, die eigentlich nicht mehr richtig namhaft gemacht werden können im Zuge der Globalisierung«.
Wer diese finsteren Mächte sein sollen, die angeblich im Hintergrund die Fäden ziehen, hat Grass nicht weiter ausgeführt. Das war auch nicht nötig. Die Chiffre ist eindeutig. Man findet sie sinngemäß so oder ähnlich auch in rechtsextremistischen Publikationen. Gemeint sind dort die Juden. Verschwörungstheoretisches Geraune dieser Art gehört seit dem 19. Jahrhundert zur ideologischen Grundausstattung des Antisemitismus.
august bebel Jeder halbwegs gebildete Sozialdemokrat müsste das eigentlich wissen. Denn die SPD hat von ihrer Gründung vor 150 Jahren jenen Antikapitalismus von rechts bekämpft, der in »jüdischer Raffgier« die Ursache sozialer Ungerechtigkeit behauptete. August Bebel, der große Führer der Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert, sprach deshalb vom Antisemitismus als dem »Sozialismus der dummen Kerls«.
Günter Grass wird selbstredend den Vorwurf des Judenhasses auch diesmal wieder empört von sich weisen. Vielleicht hat er sich bei dem Satz ja auch wirklich schlicht nichts gedacht, sondern ist, wie das im Alter oft passiert, geistig zurückgefallen in die Denkmuster seiner SS-Jugendzeit. Dass sich aber in der Partei keine Stimme von Grass’ üblen Sprüchen distanziert, ist der eigentliche Skandal. Bei so viel Geschichtsvergessenheit läuft die SPD Gefahr, selbst zum Hort der dummen Kerls zu werden.