Fast zeitgleich haben die Regierungschefs Spaniens, Irlands und Norwegens am Mittwochvormittag bekanntgegeben, am kommenden Dienstag (28. Mai 2024) einen unabhängigen Staat Palästina anzuerkennen.
»Die Palästinenser haben ein grundlegendes, unabhängiges Recht auf einen eigenen Staat. Sowohl Israelis als auch Palästinenser haben das Recht, in Frieden in getrennten Staaten zu leben. Es kann keinen Frieden im Nahen Osten ohne eine Zweistaatenlösung geben«, verlautbarte die norwegische Regierung.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Castejón betonte im Parlament in Madrid: »Diese Anerkennung Palästinas richtet sich nicht gegen das israelische Volk, das wir respektieren und schätzen. (...) Und sie richtet sich schon gar nicht gegen die Juden, ein bewunderswertes Volk, dessen Identität eng mit Spaniens Geschichte und Kultur verwoben ist.« Die Anerkennung entspreche dem Willen der Mehrheit des spanischen Volkes.
Sánchez ging jedoch auch auf scharfe Kritik des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu ein: »Es kann sein, dass israelische Führer es nicht so sehen wie wir. Wir sind darauf vorbereitet. Diplomatie bedeutet nicht, andere nicht zu stören, sondern mit friedlichen Mitteln Werte und eigene Interessen zu verteidigen. Das tun wir heute.«
Die Proteste Studierender gegen den Gaza-Krieg seien, so Sánchez, »legitim, gerecht und bewundernswert«, man dürfe sie nicht dämonisieren, wie Netanjahu das getan habe. Spanien stelle sich mit der Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat »auf die richtige Seite der Geschichte«.
Israels Regierung lehnt eine solche Anerkennung hingegen ab. »Indem man einen palästinensischen Staat vorantreibt, erzählt man Mördern und Vergewaltigern, dass sich Terror auszahlt«, sagte Israels UN-Botschafter Gilad Erdan vor kurzem. Die palästinensische Autonomiebehörde erfülle nicht die Kriterien für Eigenstaatlichkeit.
Sánchez wies solche Kritik zurück: »Wir werden die Reformen der neuen Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde unterstützen. Sie ist unser Partner.« Die Hamas bezeichnete er als eine terroristische Organisation, die »verschwinden« müsse.
In Dublin gab Premierminister Simon Harris die Anerkennung bekannt. »Die Entscheidung heute ist eine Entscheidung für eine friedliche Zukunft«, sagte Harris.
Er zog einen Vergleich zum Unabhängigkeitsstreben seines eigenen Landes: »Am 21. Januar 1919 bat Irland die Welt um die Anerkennung seines Rechts, ein unabhängiger Staat zu sein. Unsere Botschaft an die freien Nationen der Welt war ein Plädoyer für die internationale Anerkennung unserer Unabhängigkeit und betonte unsere ausgeprägte nationale Identität, unseren historischen Kampf und unser Recht auf Selbstbestimmung und Gerechtigkeit. Heute verwenden wir dieselbe Sprache, um die Anerkennung Palästinas als Staat zu unterstützen.«
Die Anerkennung des Staates Palästina sei »ein Akt von großem politischen und symbolischen Wert«, so der irische Premierminister, der erst seit einigen Wochen im Amt ist.
Schweden hatte Palästina bereits vor zehn Jahren als Staat anerkannt. Kritiker bemängeln jedoch, den Palästinensergebieten mangele es an wichtigen Kriterien für einen solchen Schritt. Beispielsweise ist die Grenze zwischen Israel und den Palästinensern weiter strittig. Das gilt auch für den politischen Status von Ost-Jerusalem.
In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Palästinenserführer Arafat und Abbas alle diskutierten Friedensabkommen abgelehnt, die zur Gründung eines Palästinenserstaates hätten führen können. Zwischen 2000 und 2008 waren ihnen Gaza, 91 Prozent des Westjordanlandes und ein autonomes Ost-Jerusalem für einen eigenen Staat angeboten worden.
Spanien gehört seit Langem zu den schärfsten Kritikern in Europa am militärischen Vorgehen Israels gegen den palästinensischen Terror. Die Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez hatte im Oktober alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, kritisierte die Ankündigungen. Auf der Plattform X schrieb der SPD-Politiker: »Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Anerkennung Palästinas als souveräner Staat die angemessene Reaktion auf die schrecklichen Massaker der Hamas vom 7. Oktober letzten Jahres sind.«
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, schrieb auf der Plattform X: »Die angekündigte Anerkennung eines sogenannten palästinensischen Staates durch Norwegen, Irland und Spanien ist eine paradoxe Intervention.« Eine Entität ohne politische Ordnung als Staat anzuerkennen, sei »absurd«, so Beck.
Noch schärfer reagierte Israel: Die Regierung in Jerusalem beorderte am Mittwoch ihre Botschafter in Madrid, Dublin und Oslo für Konsultationen zurück. Außenminister Israel Katz sagte auf X, die »Verrücktheit« der drei Staaten würden sein Land nicht beirren.
mth/dpa