Maßnahmen gegen den wirtschaftlichen Abschwung, die Begrenzung von Zuwanderung und die Unterstützung der Ukraine sind die Schwerpunktthemen des laufenden Bundestagswahlkampfes. Fragen der sozialen Sicherung und Gerechtigkeit rücken dagegen in den Hintergrund.
Für die jüdische Gemeinschaft sind neben der Antisemitismusbekämpfung jedoch zahlreiche sozialpolitische Herausforderungen, für die es keine populistische Augenwischerei, sondern nachhaltige Lösungen braucht, von großer Relevanz.
93 Prozent der jüdischen Zugewanderten im Rentenalter beziehen Sozialleistungen. Armut zu überwinden, muss weiterhin Ziel der Politik sein. Die Grundsicherung ist integraler Bestandteil des Sozialstaates. Umso mehr braucht es bedarfsgerechte Regelsätze. Auch der 2022 ins Leben gerufene Härtefallfonds für jüdische Kontingentflüchtlinge kann nur ein Anfang gewesen sein.
93 Prozent der jüdischen Zugewanderten im Rentenalter beziehen Sozialleistungen.
Die demografische Entwicklung trifft auch die jüdische Gemeinschaft hart. Die Pflegeversicherung steht finanziell am Rand der Zahlungsunfähigkeit und benötigt dringend eine Reform sowie stabilisierende Sofortmaßnahmen.
Bürgerschaftliches Engagement ist der Kern einer aktiven Demokratie. Jüdische Gemeinden und Organisationen werden maßgeblich durch ein ausgeprägtes ehrenamtliches Netzwerk getragen. Freiwilligendienste müssen durch Bundesmittel ausreichend ausgestattet werden. Soziale Dienste und Einrichtungen stehen unter erheblichem finanziellen Druck. Steigende Lohnkosten, höhere Preise und wachsende Bedarfe werden kaum ausgeglichen. Ein Wegbrechen sozialer Anlaufstationen würde vor allem vulnerable Zielgruppen alleinlassen.
Es braucht endlich eine auskömmliche Finanzierung der Wohlfahrtspflege. In Zeiten zunehmenden Populismus ist Sozialpolitik essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie hat auch im aktuellen Bundestagswahlkampf mehr Aufmerksamkeit verdient.
Der Autor ist Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).