Meinung

Sonderangebot zum Arisierungsjubiläum

Ein Düsseldorfer Bettengeschäft feiert sich selbst und seinen angeblich 75. Geburtstag. »Seit 75 Jahren sorgt die Firma Betten Hönscheidt für ihren guten und gesunden Schlaf«, lautet der Werbeslogan des Geschäfts. Gut geschlafen jedoch hat Fritz Grossmann, der bis 1938 Inhaber des traditionsreichen Bettengeschäfts »Gebrüder Ahlsberg« war, nach dem »Verkauf« mit Sicherheit nicht mehr. Ganz im Gegensatz zu dem, was Familie Hönscheidt in einer als Artikel getarnten Werbung verlauten lässt, wurde das Geschäft nicht im Jahr 1938 vom Großvater der heutigen Inhaberin gegründet.

buchenwald Vielmehr nutzte Werner Hönscheidt die günstige Gelegenheit, ein gut gehendes jüdisches Familienunternehmen, das bereits seit 1865 seinen Sitz an der Schadowstraße hatte, zum Spottpreis von 27.000 Reichsmark zu »kaufen«. Möglich wurde das durch die »Arisierung«. Nur ein Jahr später wurde Fritz Grossmann von den Nationalsozialisten festgenommen und ins KZ Dachau deportiert. 1940 wurde er in Buchenwald ermordet. Seine Ehefrau Marta Grossmann wurde 1941 nach Minsk deportiert und später ermordet. Den beiden Söhnen gelang 1939 die Flucht nach England. Sie leben heute in den USA.

75 Jahre später gibt sich Werner Hönscheidts Enkelin Ines Reusch überrascht und behauptet sogar: »Mein Großvater war wohl gut befreundet mit dem Ehepaar.« Noch heute versucht die Enkelin, die Schuld ihrer Großeltern unter den Teppich zu kehren. Mit Antworten, die die 35-Jährige auf nicht gestellte Fragen nach Rückerstattung gibt, diskreditiert sie zudem ihre eigenen Aussagen.

notsituation Auf der einen Seite spielt Reusch die Ahnungslose. Wie kann sie da auf der anderen Seite Bescheid wissen über einen Schriftverkehr ihrer Familie mit dem Amt für Wiedergutmachung in den 50er-Jahren, der angeblich den Übergang bestätigt haben soll? Und auch wenn das Amt tatsächlich in den 50er-Jahren die Rechtmäßigkeit des Kaufes bestätigt haben sollte, so sagt das wenig aus. Waren doch die allermeisten Juristen und Beamten in dieser Zeit (Alt-)Nazis, die sich gegenseitig gedeckt haben.

Die Ausnutzung der Notsituation einer jüdischen Familie im Jahr 1938 kann und will man der 35-jährigen Geschäftsführerin persönlich nicht vorwerfen, wohl aber, dass sie heute Kapital daraus schlagen will. Es ist geschmacklos, zum 75. Jahrestag »Jubiläums-Angebote« anzupreisen.

Der Autor ist Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

USA

Hitlergruß: Nach Musk nun Bannon?

Steve Bannon, einst Chefideologe von Donald Trump, hat bei einer Rede vor rechten Aktivisten eine umstrittene Geste gezeigt

von Michael Thaidigsmann  21.02.2025

Berlin

»Welt«-Gruppe gedenkt der Bibas-Familie

»All jene, die in Deutschland den Islamismus verharmlosen oder relativieren, sollten in die Gesichter der Bibas Kinder sehen«, betont »Welt«-Chefredakteur Jan Philipp Burgard

 21.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  21.02.2025

Katrin Richter

Demokratie statt Lethargie

Wer nicht wählt, muss mit dem leben, was dann dabei herauskommt

von Katrin Richter  21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Demoskopie

Abstimmung gegen Antisemitismus?

So wahlentscheidend sind jüdische Themen

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Berlin

KZ-Gedenkstätten: Wählen gehen für die Demokratie

Rutscht die Gesellschaft weiter nach Rechts? Die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten sieht die Bundestagswahl als Chance, diesen Trend zu stoppen

 20.02.2025

Igor Mitchnik

Europa muss sich hinter die Ukraine stellen

Trump denkt nicht transatlantisch, sondern transaktional

von Igor Mitchnik  20.02.2025

WHO

Polio-Impfkampagne im Gazastreifen geht weiter

Weil das Poliovirus wieder in Abwasserproben nachgewiesen wurde, sollen in Gaza erneut etliche Mädchen und Jungen gegen Kinderlähmung geimpft werden. Start der Kampagne ist bereits in wenigen Tagen.

 19.02.2025