Nach der Tötung eines hochrangigen iranischen Militärs durch das US-Militär spitzt sich die Krise im Nahen und Mittleren Osten weiter zu. Der Nachfolger des Freitag bei einem Drohnenangriff in Bagdad getöteten Kommandeurs der Al-Quds-Truppe der iranischen Revolutionsgarden Qassem Soleimani, Esmail Ghaani, kündigte nun Vergeltungsaktionen gegen westliche Ziele an.
Brigadegeneral Esmail Ghaani, bislang Stellvertreter Soleimanis, sagte im iranischen Fernsehen: »Gott, der Allmächtige« werde Rache üben. »Wartet ab, bald werdet ihr überall im Nahen Osten Leichen von Amerikanern sehen«, so Ghaani. Konkreter wurde er jedoch nicht.
Gemeinsam mit Soleimani koordinierte der 62-Jährige in jüngster Zeit die iranischen Aktivitäten im Libanon.
Die Al-Quds-Truppe ist eine auf Auslandseinsätze spezialisierte Einheit der 125.000-Mann-starken Revolutionären Garde, die neben der regulären iranischen Armee besteht und eine der Stützen des islamischen Regimes ist. Die Garde untersteht direkt dem geistlichen Führer des Landes, Ali Chamenei, und kontrolliert unter anderem das iranische Raketenprogramm und hat eine eigene Marine.
SANKTIONEN Esmail Ghaani wuchs in Maschhad im Nordosten des Landes auf. Er ist seit 1980 Mitglied der Revolutionsgarden. 1981 war er bei der blutigen Niederschlagung eines Aufstands der Kurden und später im Krieg gegen den Irak eingesetzt. »Ghaani wurde ernannt, um den Irakern und den Protestierenden im Irak, Iran und im Libanon die Botschaft zu senden, und die lautet: Der neue Kommandeur der Al-Quds-Truppe hat eine Vorgeschichte, was den Umgang mit Dissidenten angeht,« sagte Michael P. Pregent vom Hudson-Institut, einem amerikanischen Think Tank, dieser Zeitung.
Gemeinsam mit seinem bisherigen Vorgesetzten Soleimani koordinierte der 62-Jährige in jüngster Zeit die iranischen Aktivitäten im Libanon, im Jemen und im Irak, aber auch in Afghanistan und Pakistan. Im Gegensatz zu Soleimani wirkte Ghaani bislang eher im Hintergrund. Seit 2012 sind allerdings US-Sanktionen gegen ihn in Kraft, weil er in Finanztransfers an Terrorgruppen involviert gewesen sein soll, die mit dem Iran verbündet sind.
2015 gab Ghaani indirekt zu, dass der Iran Waffen an radikale Palästinenserkräfte schicke, um Krieg gegen Israel zu führen. Irans militärische Macht sei auf der Seite »der unterdrückten Menschen Palästinas und Gazas in der Form von Raketen und Waffen«, erklärte er damals.
Merkel, Macron und Johnson verurteilen ausdrücklich »die negative Rolle«, die der Iran und insbesondere die Al-Quds-Truppe in der Region spielt.
Für Pregent ist Ghaani dennoch kein zweiter Soleimani, weil er nicht dessen Charisma und Beziehungsnetzwerk habe. Ghaani sei aber genauso skrupellos wie sein Vorgänger, insbesondere, was seine terroristischen Absichten angehe. Sollte er sich aus dem Iran heraus- und in den Nahen Osten hinein begeben, sei auch er ein legitimes Ziel für amerikanische Truppen vor Ort, findet der Terrorismusexperte des Hudson-Instituts.
Unterdessen wurde Soleimanis Sarg in mehreren großen Städten Irans durch die Straßen getragen, begleitet von großen Menschenmengen. Bei einer Trauerfeier in Teheran vergoss der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, sogar öffentlich Tränen. Auf seiner Website postete Chamenei ein Gemälde, dass die Ankunft Soleimanis im Himmel darstellen soll, wo er von Iman Hussein und Chameneis Vorgänger, dem verstorbenen Revolutionsführer Ayatollah Chomenei, empfangen wird.
Die iranische Regierung kündigte an, das Atomabkommen mit dem Westen ab sofort nicht mehr beachten zu wollen. Allerdings hatte der Iran bereits zuvor sein Atomprogramm teilweise wieder aufgenommen.
TRUPPENABZUG In Bagdad stimmte das von schiitischen Parteien dominierte irakische Parlament am Sonntag mit großer Mehrheit einer Resolution zu, in welcher die Regierung des Landes aufgefordert wird, alle ausländischen Soldaten, darunter die 5200 amerikanischen Militärs, des Landes zu verweisen, welche seit 2015 zur Bekämpfung der Terrorgruppe »Islamischer Staat« im Land sind.
Unterdessen wurde Soleimanis Sarg in mehreren großen Städten Irans durch die Straßen getragen, begleitet von großen Menschenmengen.
US-Präsident Donald Trump wies die Forderung mit scharfen Worten zurück und sagte, man werde den Irak nur verlassen, wenn Bagdad die Kosten für den Bau des amerikanischen Militärstützpunktes dort erstatte. Sollte man zu keiner Einigung »auf sehr freundschaftlicher Basis« gelangen, drohte Trump den Irakern mit »Sanktionen, wie sie sie noch nicht gesehen haben«. Der Schlag gegen Soleimani sei eine Reaktion auf Angriffe auf US-Soldaten im Irak gewesen, so der Präsident.
Am Montag sagten die Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, Merkel, Macron und Johnson, in einer gemeinsamen Erklärung, es gebe »das dringende Bedürfnis nach einer Deeskalation der Lage«. Alle Seiten müssten »äußerte Zurückhaltung und Verantwortung« zeigen. Der Zyklus der Gewalt im Irak und die weitere Destabilisierung des Landes müsse gestoppt werden, und die Truppen der internationalen Koalition gegen den IS bräuchten die Unterstützung des Iraks.
Merkel, Macron und Johnson verurteilten ausdrücklich »die negative Rolle«, die der Iran und insbesondere die Al-Quds-Truppe in der Region spiele, und forderten Teheran auf, das Nuklearabkommen wieder einzuhalten.