Meinung

Solange noch Mörder leben

Vor dem Landgericht Ellwangen wurde gegen den 93-jährigen Hans Lipschis, der als SS-Mann in Auschwitz eingesetzt war, Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in über 10.000 Fällen vor. Schon als vor zwei Jahren gegen den früheren KZ-Wärter John Demjanjuk verhandelt wurde, war zu lesen, es sei der letzte NS-Verbrecherprozess. Ähnliches dürfte nun wieder behauptet werden, doch es ist heute so falsch, wie es bislang immer falsch war.

Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg, die NS-Verbrechern nachspürt und die Akten für die Staatsanwaltschaften vorbereitet, hat gerade Vorermittlungen in 30 Fällen abgeschlossen; auch da wird es vermutlich zu einigen Prozessen kommen. Und auch das sind nicht die viel zu oft beschworenen »letzten Fälle«, sondern schlicht die, die am einfachsten zu recherchieren waren: Da, wo die Listen der KZ-Aufseher noch vollständig existieren, konnte schnell ermittelt werden.

Täter Und erst jüngst wurden andere Dokumente, die auf Täternamen verweisen, ausgewertet. Es sind riesige Datenmengen, bei deren Bewältigung sich die Ermittler bloß daran orientieren können, wie sie am schnellsten und leichtesten zu Ergebnissen kommen. Egal, wo und wie man sich auch heute, im Jahr 2013, auf die Suche nach Tätern begibt: Man wird fündig. Auch im Fall Lipschis werden nur die Verbrechen zur Anklage kommen, bei denen die Anwesenheit des Angeklagten an der Todesrampe heute noch zweifelsfrei nachzuweisen ist, sodass es den Prozess nicht in die Länge zieht.

Dass diese und Tausende andere Anklagen schon viel früher hätten erfolgen müssen, ist richtig, aber kein Argument gegen die jetzt anstehenden Verfahren. Und wenn gesagt wird, dass ein Prozess gegen einen 93-Jährigen, dessen Anwälte vermutlich auf Gebrechlichkeit verweisen werden, wenig sinnvoll ist, mag das richtig sein: Eine langjährige Gefängnisstrafe ist nicht zu erwarten, eventuell stirbt der Angeklagte noch vor dem Urteil.

Und dennoch sind diese Prozesse notwendig. Kein Täter darf ruhig schlafen, sondern alle sollen jederzeit mit einer Anklage rechnen müssen. An ein Ende wird die Strafverfolgung so schnell nicht kommen. Die Monstrosität der Schoa zeigt sich ja auch darin, dass 68 Jahre nach dem Ende des NS-Systems noch mehr Täter frei herumlaufen, als selbst eine zur Strafverfolgung bereite Justiz verurteilen kann.

Zeitz

50.000 Euro Spenden für gestohlene Stolpersteine

Nach dem Diebstahl aller Stolpersteine in der Stadt Zeitz in Sachsen-Anhalt kommen weiterhin Spenden für deren Neuanfertigung an

 20.10.2024

Istanbul

Erdogan wirft Israel Völkermord vor – Scholz kontert

Die deutsch-türkischen Beziehungen gelten als schwierig. Beim Besuch des Kanzlers in Istanbul kam es zur Annäherung. Nur bei einem Thema bleibt ein tiefer Graben

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  20.10.2024

Essay

Warum Juden in Deutschland zur »Heimatfront« geworden sind

Unsere Gastautorin Esther Schapira über die kurze Erleichterung nach dem Tod Sinwars und den antisemitischen Dammbruch in der Bundesrepublik

von Esther Schapira  20.10.2024

Berlin

Vereitelter Anschlagsplan: »Islamistischer Terrorismus bedroht jüdisches Leben«

Ein 28-jähriger Libyer soll einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Der Verdächtige wurde in Untersuchungshaft genommen

 20.10.2024 Aktualisiert

Berlin

»Bild«-Bericht: Libyer plante Anschlag auf israelische Botschaft in Berlin

Offenbar konnten deutsche Fahnder einen Anschlag gegen Israels Repräsentanz in der Hauptstadt verhindern

 19.10.2024

Nach Sinwars Tod

Politischer Frieden ist jetzt möglich

Sinwars Tötung bedeutet mehr als die Ausschaltung eines Terrorchefs. Die psychologischen und politischen Rückwirkungen könnten ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Beilegung des mehr als hundertjährigen jüdisch-arabischen Krieges sein

von Rafael Seligmann  19.10.2024

Kommentar

Zeit für den Rücktritt, Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz!

Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz hat sich für ihr hohes Amt ein für alle Mal als untauglich erwiesen. Ein Kommentar von Daniel Neumann, Präsidiumsmitglied des Zentralrats

von Daniel Neumann  19.10.2024

Berlin

Das allzu späte Machtwort des Kanzlers

Scholz sichert Israel nach monatelangen Diskussionen und heftigem Druck aus der Union Waffenlieferungen zu

 16.10.2024

Berlin

Das sagt die AfD zu Waffenlieferungen an Israel

Bundeskanzler Scholz hat Israel weitere militärische Unterstützung im Nahost-Krieg zugesichert. Der AfD-Vorsitzende übt deutliche Kritik und bezeichnet die Entscheidung als »kurzsichtig«

 16.10.2024