Debatte

So reagiert die Evangelische Kirche auf das BGH-Urteil zur »Judensau«

Führende Vertreter der Kirche äußern sich zur kontrovers diskutierten Entscheidung

von Johannes Senk  15.06.2022 13:28 Uhr Aktualisiert

»Judensau«-Schmähplastik in Wittenberg Foto: Gregor Zielke

Führende Vertreter der Kirche äußern sich zur kontrovers diskutierten Entscheidung

von Johannes Senk  15.06.2022 13:28 Uhr Aktualisiert

Der Bundesgerichtshof hat am Dienstag entschieden, dass die antijüdische Skulptur an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche nicht entfernt werden muss. Es fehle dem jüdischen Kläger an einer gegenwärtigen Rechtsverletzung, urteilte der VI. Zivilsenat.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Durch eine Bodenplatte und eine Schrägaufsteller unterhalb des Reliefs wurde nach Überzeugung der Richter das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Dabei gehe es um die Erinnerung an die jahrhundertealte Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zum nationalsozialistischen Völkermord. Die deutsche Rechtsordnung gebiete keine Beseitigung des Reliefs.

Die evangelische Kirche reagierte erleichtert auf das Urteil, versprach aber gleichzeitig, sich intensiver mit judenfeindlichen Traditionen in Bildern und Texten auseinandersetzen zu wollen. Es gelte jetzt, an der Kirche noch mehr zu tun, um mit einer klaren Botschaft »das da oben zu entkräften«, sagte der Wittenberger Pfarrer Alexander Garth. Was genau passieren soll, könne er noch nicht sagen, er wolle »dem kreativen Prozess nicht vorgreifen«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, erklärte, eine juristische Lösung alleine reiche nicht aus. »Es geht um intensivere Aufklärung und aus meiner Sicht auch um visuell andere Lösungen.« Dies könnten etwa Verhüllungen sein, die judenfeindliche Darstellungen nicht kaschierten, aber das Erbe der Judenfeindlichkeit in der protestantischen Tradition thematisierten. Dazu müssten auch andere Kunstwerke in den Blick genommen werden.

Aus Sicht des zuständigen evangelischen Landesbischofs von Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, schafft das Urteil »die nötige Klarheit, um die Weiterentwicklung des Mahnmals voranzubringen. Es herrscht Konsens, dass die gegenwärtige Informationstafel sowie das Mahnmal in Form einer Bodenplatte heute nicht mehr dem Anspruch genügen, die Wirkung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Fassade zu brechen.« Die Landeskirche wolle die Wittenberger Stadtkirche dabei unterstützen.

Die als »Judensau« bekannte Plastik ist in etwa vier Metern Höhe an dem Kirchengebäude angebracht. Dargestellt ist eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern.

Der jüdische Kläger Michael Düllmann kämpft seit 2018 gerichtlich für die Entfernung der Skulptur, weil er sie als beleidigend empfindet. Der Streit hat grundsätzliche Bedeutung. In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen. 2020 hatte das Oberlandesgericht Naumburg die Klage abgewiesen. Düllmann hat angekündigt, sich im Falle einer Niederlage vor dem BGH ans Bundesverfassungsgericht und gegebenenfalls auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden zu wollen.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechtsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024