Mit klaren Worten hat der Zentralratsvizepräsident Mark Dainow vor zunehmendem Antisemitismus in Deutschland gewarnt.
»Wenn 70 Prozent der jüdischen Gemeinschaft in der Öffentlichkeit auf jüdische Symbole verzichten, hat die Gesellschaft ein großes Problem«, sagte Dainow am Donnerstag in Berlin auf der Tagung des »Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus« (NEBA). »Diese Entwicklung rund 70 Jahre nach der Schoa ist ebenso skandalös wie schmerzhaft. Es bedeutet, dass das demokratisch verbriefte Recht auf freie Religionsausübung nicht gelebt werden kann.«
jerusalem Mit Blick auf die antisemitischen Ausschreitungen im Nachgang zur Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump sagte Dainow: »Der Zentralrat der Juden hofft und erwartet, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland entschieden gegen antisemitischen Hass vorgehen.«
Der Rechtsstaat müsse antisemitische Parolen und das Verbrennen von Flaggen mit Davidstern konsequent ahnden, so Dainow. Es sei wichtig, dem entschieden entgegenzutreten und die offene, demokratisch-liberale Gesellschaft zu schützen.
Zuvor hatte die Direktorin des American Jewish Commitee (AJC), Deidre Berger, in ihrer Begrüßungsrede darauf verwiesen, dass die Ereignisse der vergangenen Tage die Wichtigkeit von Programmen gegen Antisemitismus einmal mehr unterstrichen haben. »Die Vorkommnisse der jüngsten Zeit haben uns gezeigt, wie weit verbreitet Judenhass und tiefe Abneigung gegen Israel in der muslimischen Gemeinschaft sind«, erklärte Berger. »Es gibt bereits einige hervorragende Initiativen zur Demokratisierung der Community. Diese müssen aber ausgebaut und weiter gefördert werden.«
milieus Antisemitismus betreffe aber auch viele andere gesellschaftliche Milieus, so Berger weiter. Judenfeindliche Einstellungen seien ebenso im Kulturbereich in traditionellen wie auch in rechten und linken Milieus verbreitet. Als Beispiel nannte sie die immer stärker werdende israelfeindliche BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) im Kulturbetrieb, die Veranstaltungen mit israelischer Beteiligung öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellt.
Im Rahmen der NEBA-Konferenz stellte das AJC den Forschungsbericht »Einstellungen von Geflüchteten aus Syrien und dem Irak zu Integration, Identität, Juden und Schoah« vor. Ein Novum: Bislang basierte das Thema Antisemitismus unter Flüchtlingen überwiegend auf Vermutungen und nicht auf Studien.
»Nun haben wir ein wissenschaftlich-fundiertes Bild: Judenfeindliche Ressentiments, antisemitische Verschwörungstheorien und eine kategorische Ablehnung Israels sind bei vielen Flüchtlingen aus dem arabischen Raum weit verbreitet. Dies ist angesichts der tiefen Verwurzelung des Judenhasses in arabischen Ländern zwar nicht verwunderlich, dennoch hat uns die Klarheit einiger Aussagen überrascht«, sagte AJC-Direktorin Deidre Berger.
feindbilder Durchgeführt wurde die Studie von dem Historiker und Antisemitismusforscher Günther Jikeli, der an der Indiana University und der Universität Potsdam lehrt. Die Gespräche mit den Flüchtlingen fanden in Berlin statt. Insgesamt wurden 68 Flüchtlinge zwischen 18 und 52 Jahren, die aus Syrien und dem Irak stammen, in Gruppeninterviews befragt. Eine aktuell laufende Folgestudie von Jikeli mit 85 Befragten bestätigt die Ergebnisse, dass antisemitische Feindbilder bei arabischen Flüchtlingen weit verbreitet sind.
Das NEBA-Netzwerk wurde im Frühjahr 2015 vom American Jewish Committee (AJC), der Amadeu Antonio Stiftung und dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) mit dem Ziel gegründet, jüdische Perspektiven zum Thema Antisemitismus zum Ausdruck zu bringen.
Lesen Sie einen ausführlichen Bericht in der kommenden Ausgabe.