Der Bundestag soll das Amt eines Antisemitismusbeauftragten schaffen. Dies forderte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, am Mittwoch der vergangenen Woche. Er sprach bei einem Fachgespräch der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Schuster skizzierte vor den etwa 100 Teilnehmern, wie sich ihm die Situation derzeit darstellt: Judenhass sei »auf verheerende Weise wieder sichtbar geworden«, er sei gar wieder »auf dem Vormarsch«. Ein Bundestagsbeauftragter löse zwar nicht das Problem, er sei jedoch ein Signal.
Die Juden in Deutschland bedürften aber nicht nur des staatlichen Schutzes, sondern auch »emotionaler Sicherheit« – eine Aufgabe der Zivilgesellschaft. Man wisse ja, dass etwa 16 Millionen Bundesbürger antisemitische Ressentiments hegen. Diese Zahl entstammt dem Antisemitismusbericht des Bundestags von 2012. Ein neuer Bericht wird bald vorgestellt.
deutungshoheit Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, lobte eine Initiative des britischen Unterhauses, wonach die Deutungshoheit dessen, was als Antisemitismus gilt, bei den jüdischen Gemeinden liege. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass sich andere nicht mehr damit beschäftigten. »Als jemand, der sich zur politischen Linken zählt«, so Hofreiter, »habe ich es nie verstanden, dass die Linke Entebbe nicht aufgearbeitet hat.« 1976 hatten deutsche und palästinensische Flugzeugentführer gemeinsam jüdische Passagiere »selektiert«.
An dem Fachgespräch nahmen auch Marina Chernivsky, die sich bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in einem Kompetenzzentrum um den Kampf gegen Antisemitismus kümmert, Sergey Lagodinsky, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, die Bloggerin Juna Grossmann (irgendwiejuedisch.com), Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung, der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck und Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) teil.
judenhass Themen waren juristische Umgangsformen mit Judenhass, das Erkennen von oftmals niedrigschwelligen Formen des Antisemitismus, das sogenannte Othering, also Fremdmachen und Ausschließen von Juden, sowie das Verhältnis von rechtem, muslimischem und linkem Antisemitismus.
Die Hoffnung, dass Judenhass durch gezielte Maßnahmen überwunden werden könnte, hatte keiner der Experten. »Wenn Auschwitz den Antisemitismus nicht zerstört hat«, fragte Josef Schuster, »wie kann es dann etwas anderes schaffen?«