Eine außergewöhnliche Fußball-Europameisterschaft liegt hinter uns, und ebensolche Olympische Spiele haben am vergangenen Freitag begonnen. Beide Großveranstaltungen sind gerade in diesen Zeiten keine reinen Sportevents – ebenso wenig wie die Makkabi Deutschland Games Anfang September in Düsseldorf, mit denen wir als gutes Beispiel vorangehen wollen.
Gesellschaftspolitische Themen werden kontrovers diskutiert, ganz besonders in den sozialen Medien. Dabei kommt zunehmend die Frage auf, wie politisch der Sport eigentlich sein sollte beziehungsweise sein darf. Und ob der Sport nach erschreckenden Reaktionen aus Teilen der Gesellschaft ein Glaubwürdigkeitsproblem hat.
stadien Eines gleich vorweg: Der Sport muss nicht politisiert werden, denn er ist per se politisch – Sport und Politik können nicht losgelöst voneinander gedacht werden, denn die Stadien dieser Welt sind kein rechtsfreier Raum. Anders gesagt: »Gesellschaft endet nicht an den Stadiontoren« (Amadeu Antonio Stiftung). Sport bietet eine Plattform für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion oder sexueller Orientierung.
Er hat eine positive Eigendynamik, von der wir viel lernen können. Oftmals herrscht ein engstirniges oder gar falsches Bild von Politik vor. Der Politikbegriff wird so ausgelegt, wie man ihn gerade braucht, doch dabei lässt sich Gesellschaft nicht ohne Politik und Sport nicht ohne Gesellschaft denken.
Sport bietet eine Plattform für alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion oder sexueller Orientierung.
Wir bei TuS Makkabi Frankfurt, einem der größten Vereine der Stadt mit mehr als 2200 aktiven Mitgliedern, von denen gerade einmal 30 Prozent jüdisch sind, und bei Makkabi Deutschland, dem Dachverband aller jüdischen Sportvereine in Deutschland, leben Tag für Tag eine Vielfalt, die Respekt und Toleranz voraussetzt. Leider gehören im Sport Ausgrenzungen und insbesondere rassistische und antisemitische Anfeindungen zum traurigen Alltag. Umso mehr sind wir gefordert, Allianzen mit betroffenen Minderheiten zu schmieden und Zeichen der Solidarität zu setzen.
vereinskultur Durch unsere Vereinskultur wie auch unser bildungspolitisches Präventionsprojekt »Zusammen1 – Für das, was uns verbindet« vermitteln wir Werte, die das Fundament unserer Demokratie ausmachen, die verinnerlicht und im besten Fall weitertransportiert werden. Darum ist Kritik an Solidaritätsbekundungen, wenn Sportstätten in Regenbogenfarben beleuchtet werden oder Nationalmannschaften den Kniefall im Sinne der Black-Lives-Matter Bewegung machen, Ausdruck von Vorurteilen und Hass.
Nun werden auf den großen Bühnen der UEFA EURO 2020 oder TOKYO 2020 auch Themen ausgehandelt, die Zeichen für die Wahrung von Menschenrechten sein sollten. Neben der Frage nach der Legitimität von großen Menschenversammlungen während der Pandemie treiben uns bei Makkabi vor allem Themen wie Ausgrenzung, Hass und Gewalt um. Die zurückliegende EURO hatte einen faden Beigeschmack: In gesellschaftspolitischen Diskursen wurden Homophobie und Transfeindlichkeit aus der Mitte unserer Gesellschaft frei geäußert.
Wir vermitteln Werte, die das Fundament unserer Demokratie ausmachen.
Auf der einen Seite nutzen Persönlichkeiten des Sports also die Popularität und mediale Wahrnehmung des Events, um zu zeigen, dass Diversität akzeptiert, toleriert und gewünscht ist. Und auf der anderen Seite untersagen Verantwortliche dies unter anderem mit der Begründung, der Sport dürfe nicht für politische Ziele in Anspruch genommen werden. Hat dieser klar zu benennende Fauxpas nicht diese wichtige gesellschaftspolitische Debatte erst ausgelöst? Müssen wir der UEFA nicht sogar dankbar sein?
missstände Auch das Finale der diesjährigen Fußball-EM zeigte eine Vielzahl von Missständen: ein während der Pandemie überfülltes Stadion, Pfeifkonzerte während des Abspielens von Nationalhymnen, blanker rassistischer Hass aufgrund verschossener Elfmeter. All das während eines Sportevents. Wo bleibt hier die Logik derer, die rufen, Politik habe nichts mit Sport zu tun? Soll hier wieder eine Problemlage mit einer anderen aufgewogen oder gar einer Gegenfrage beantwortet werden? Hier wird nicht nur gegen den Leitgedanken des Sports verstoßen, sondern auch gegen die Grundprinzipien der modernen demokratischen Gesellschaft, deren Spiegelbild der Sport in seinen vielschichtigen Ausprägungen ist.
Die Entscheidung, bei den Olympischen Spielen auf Zuschauer zu verzichten, zeigt, dass man mit gesellschaftspolitischen Themen auch anders umgehen kann – ein starkes Zeichen, während bei der transeuropäischen EURO keine einheitlichen Maßstäbe angesetzt wurden; dies ist nicht zuletzt ein Zeichen der immer weiter voranschreitenden Kommerzialisierung des Sports. An dieser Stelle hat der Sport seine massive Einflussnahme auf die Politik offenbart. Ein Beleg dafür, dass Sport und Politik nicht losgelöst voneinander denkbar sind.
Werfen wir abschließend noch einmal den Blick auf die diesjährigen Makkabi Deutschland Games in Düsseldorf. Für uns als Verband mit besonderer Aufgabenstellung spielen internationale Sportgroßveranstaltungen eine wichtige empowernde Rolle für die jüdischen Communitys weltweit. Wir senden mit unseren Games ein wichtiges Signal für die gesellschaftliche und kulturelle Öffnung von Makkabi aus, indem wir eine Veranstaltung schaffen, an der alle Makkabäerinnen und Makkabäer aus Deutschland, Europa und der Welt teilnehmen können – unabhängig davon, ob sie jüdisch sind oder nicht. Denn Makkabi steht für gelebte Vielfalt.
Der Autor ist Präsident von Makkabi Deutschland und TuS Makkabi Frankfurt.