Justiz

»Sie haben die Leichen gesehen«

Im Hamburger Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof hat ein Überlebender ausgesagt. Er wurde per Video aus Israel zugeschaltet. Foto: dpa

Im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig müssen die SS-Wachmänner kurz vor Kriegsende jeden Tag Leichenberge von gestorbenen Häftlingen gesehen haben. Im Hamburger Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann am Donnerstag sagte ein Überlebender aus Israel, es hätten jeden Morgen 20 bis 30 tote Frauen vor den Baracken im Frauenlager gelegen, die auf Karren weggebracht wurden.

Er habe das vom Männerlager aus durch einen Stacheldrahtzaun beobachtet. Die Wachtürme hätten höchstens 40 bis 50 Meter entfernt gestanden. »Sie haben gesehen, wie die Leichen aufgehäuft wurden«, sagte der 89-jährige David Ackermann über eine Videoverbindung aus seinem Wohnort bei Tel Aviv.

Angeklagt ist ein 93 Jahre alter ehemaliger Wachmann. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen. Durch seinen Wachdienst von August 1944 bis April 1945 habe er »die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt«, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Weil der Angeklagte zur Tatzeit erst 17 bis 18 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt.

Ackermann wurde in Litauen geboren und war im Herbst 1944 mit seinen Eltern und einer Schwester nach Stutthof verschleppt worden. »Der erste Eindruck war, als ob ich in die Hölle gekommen wäre«, sagte er nach den Worten eines Dolmetschers. Die Gefangenen hätten ganz dürr und krank ausgesehen. Im Lager seien diese Menschen »Muselmänner« genannt worden. Gleich nach der Ankunft seien er und andere Gefangene von »Kapos« angeschrien, verprügelt und erniedrigt worden. Die Kapos seien Häftlinge gewesen, auf die sich die SS verlassen habe.

Seine Eltern seien in Stutthof ermordet worden. Er sei im April 1945 auf einen Todesmarsch gezwungen und mit mehr als 300 Gefangenen auf ein Schiff deportiert worden. Nach fünf Tagen auf der Ostsee seien noch 100 bis 120 lebend in Neustadt/Holstein angekommen. Er habe damals nur 25 bis 27 Kilo gewogen und dank einer Aufnahme ins Krankenhaus überlebt.

Nach dem Krieg habe er im Museum Stutthof die Akten über den Tod seines Vaters einsehen können. Es sei alles genau verzeichnet worden. »Das ist für mich bis heute unbegreifbar«, sagte er. Die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring sagte: »Ihr Vater ist in Baracke 13 gestorben. Das steht bei uns in den Akten.«

Der Zeuge reagierte völlig überrascht: »Das wusste ich nicht. Haben Sie vielleicht alle Akten, wie er starb?« Die Richterin antwortete: »Nein, wir haben nur ein Dokument.« Auf Vorschlag einer Vertreterin der Nebenklage soll Ackermann bei einem nächsten Termin weiter aussagen.  dpa

Europa

Kniefall in Warschau - Söder gedenkt Polens Kriegsopfern

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Im Gespräch mit dem Regierungschef geht es um einen aktuellen Krieg

 11.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024

Meinung

Es sollte uns beschämen, dass Juden in Deutschland sich nicht mehr sicher fühlen können

Ein Gastbeitrag von Adrian Grasse

von Adrian Grasse  11.12.2024

RIAS

Experten kritisieren Normalisierung antisemitischer Narrative

Sie sind überall verfügbar, im Internet und analog: Legenden, die gegen Juden und die Demokratie gerichtet sind. Das zeigt eine neue Studie - und nimmt speziell auch den Rechtsextremismus in den Blick

 11.12.2024

Bern

Schweiz verbietet Hamas

Ein neues Gesetz verbietet die Hamas, Tarn- und Nachfolgegruppierungen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag der Terrorgruppe handeln. Jüdische Organisationen begrüßen den Schritt

 11.12.2024

Restitution

Familie verliert ihr in der Nazizeit gekauftes Grundstück

85 Jahre lebt eine Familie in einem Haus in Brandenburg. Zuvor hatte es zwei jüdischen Frauen gehört, die schließlich von den Nazis ermordet wurden

 11.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Gelsenkirchen

Bekommt Bayern-Torhüter Daniel Peretz Konkurrenz?

Münchens Sportvorstand Max Eberl macht eine klare Ansage

 11.12.2024

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024