Frau Prien, warum braucht eine christliche Partei wie die CDU eigentlich ein Jüdisches Forum?
In der CDU und CSU haben sich, auch als Antwort auf die nationalsozialistische Diktatur, Christen und Nichtchristen, darunter auch Juden, auf der Grundlage eines christlich geprägten Menschenbildes zusammengeschlossen. Viel zu lange ist in der CDU zu wenig Wert darauf gelegt worden, dass sich Juden zur Union bekennen. Jetzt ist es an der Zeit: Juden und Menschen mit jüdischem Hintergrund müssen mehr wahrgenommen werden, zumal es zahlreiche, unter den Nägeln brennende Themen gibt.
An welche denken Sie?
Jüdisches Leben muss innerhalb der Union sichtbarer werden. Zum Zweiten müssen wir, an vorderster Stelle die Union, auf alle Formen des Antisemitismus, von links, rechts oder Zuwanderern, gesamtgesellschaftlich reagieren. Drittens geht es um unser Verhältnis zu Israel. Wir müssen herausarbeiten, was uns als Union im 21. Jahrhundert mit dem Staat Israel verbindet.
Haben Sie nicht Angst, dass künftig das Jüdische Forum in der CDU vor allem für Strategien gegen den Antisemitismus zuständig sein wird?
Nein, der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und die Union muss da an vorderster Front eine Rolle spielen. Die Würde des Menschen ist ein zentraler Punkt unseres politischen Engagements, und dafür sind in der Union alle zuständig. Aber in einer Situation, in der Menschen schon wieder Angst bekommen, sich öffentlich als Juden zu zeigen, möchte ich dazu ermuntern, den Mut zu haben, sich klar zum Judentum zu bekennen. Jetzt machen wir uns erst recht als Juden in der Union sichtbar und bekennen uns zu diesem Land. Wir müssen und wollen uns nicht verstecken. Auch wenn ich eingestehe, dass ein Jüdisches Forum schon viel früher notwendig gewesen wäre. Es war und ist hohe Zeit.
Wie wird die Arbeit des Jüdischen Forums konkret aussehen?
Unser Forum bietet Juden und Menschen mit jüdischem Hintergrund innerhalb der Union eine Plattform für Diskussion und Meinungsaustausch. Wie sich die Arbeit in Zukunft konkretisiert, wird Gegenstand der derzeitigen Planung sein. Bis nach den Sommerferien wird es aber noch dauern, bis konkrete Ergebnisse zu erwarten sind. Mein Sprecherkollege Bernd Knobloch und ich werden dabei unsere Arbeit mit den Sprechern des Jüdischen Forums in der CSU eng abstimmen.
Wer sind Ihre Mitstreiter?
Wir werden jüdische Christdemokraten ermuntern, sich uns anzuschließen. Die Angabe zur Religionszughörigkeit ist in der Union freiwillig. Aber in ein paar Monaten werden wir wissen, wie viele Parteimitglieder überhaupt als Religion Judentum angegeben haben. Einige haben dies gemacht, andere, wie ich, nicht. Es ist wichtig, auch als Jüdin und Jude in der Union Politik zu machen. Und es gibt bereits einige, die sich bei mir gemeldet haben und mitmachen wollen.
Warum haben Sie selbst lange gezögert, Ihre Jüdischkeit öffentlich zu machen?
Die Verfolgungsgeschichte als Juden hat mein Elternhaus und meine Erziehung, meine Kindheit und Jugendzeit geprägt. Zu Hause hieß es: Darüber spricht man öffentlich nicht. Die Angst meiner Eltern war schon konkret und durch die unmittelbare Familiengeschichte als Juden bestimmt. Ich wollte dagegen nicht mit meinem Jüdischsein hausieren gehen, mich nicht darauf reduzieren oder darüber definieren lassen. Ich bin in einem nichtreligiösen Elternhaus aufgewachsen. Aber Judentum war in unserer Familie immer präsent. Das ist auch entscheidend für meinen beruflichen und politischen Werdegang gewesen. Während meine Mutter mir aber riet, nicht über meine Jüdischkeit zu sprechen, habe ich mich angesichts des aufkeimenden Antisemitismus in Frankreich genau zum Gegenteil entschlossen. Ich habe allerdings sehr lange mit mir gerungen, bevor ich mich vor knapp drei Jahren öffentlich als Jüdin bekannt habe. Ich war damals Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Bei einigen in meiner Partei in Hamburg wurde dies zumindest mit Beklommenheit zur Kenntnis genommen, bei der Mehrheit ist es allerdings sehr positiv wahrgenommen worden.
Wofür stehen Sie im Jüdischen Forum?
Ich werde mich dafür einsetzen, jüdischem Leben mehr Raum zu geben, es sichtbarer zu machen und für mehr staatliche Unterstützung zu sorgen. Dies tue ich bereits als schleswig-holsteinische Kulturministerin in der Frage der Gleichstellung mit christlichen Kirchen. Die jüdischen Gemeinden müssen bessergestellt werden, für ihre Jugend- und Gemeindearbeit und ihre gesellschaftliche Aufgabe im Rahmen der Zivilgesellschaft. Dafür werde ich auf allen Ebenen meinen politischen Beitrag leisten. Im Kampf gegen Antisemitismus brauchen wir eine konsequente Haltung und eine bundesweite Datenbank über antisemitische Vorfälle, auch in den Schulen. Nach wie vor gibt es auf Bundesebene keine zuverlässigen Zahlen. Und dann werde ich mich für die weitere Verbesserung des Verhältnisses zu Israel einsetzen, für die Intensivierung des Schüler- und Jugendaustausches. Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel muss die Anforderungen der Zukunft erfüllen können.
Mit der Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU und Bildungsministerin von Schleswig-Holstein sprach Hans-Ulrich Dillmann.