Der Bremer Senat und die Heinrich-Böll-Stiftung haben dazu geraten, die geplante Verleihung des diesjährigen Hannah Arendt-Preises für politisches Denken an Masha Gessen an diesem Freitag abzusagen. Die nicht-binäre Journalistin und Autorin habe in einem Essay für das Magazin »New Yorker« am 9. Dezember Gaza mit den jüdischen Ghettos im besetzten Europa verglichen, teilten die Stiftung und der Senat am Mittwoch mit.
Damit unterstelle sie, dass Israel das Ziel habe, Gaza wie ein Nazi-Ghetto zu liquidieren. Dies helfe nicht, den Konflikt im Nahen Osten zu verstehen. »Diese Aussage ist für uns nicht akzeptabel und wir weisen sie zurück«, hieß es von der Böll-Stiftung. Tatsächlich versuchen die israelischen Streitkräfte, die Bevölkerung in Gaza während des Krieges gegen den Terror so gut es geht zu schützen.
Bremens Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) forderte den unabhängigen Trägerverein »Hannah-Arendt-Preis« auf, nicht an der Preisverleihung festzuhalten. Unabhängig von der Entscheidung des Vereins werde das Bremer Rathaus als traditioneller Verleihungsort nicht zur Verfügung stehen.
Keine Bühne
Gaza mit den NS-Ghettos gleichzusetzen, die mit Hungers- und Krankheitsnöten sowie Deportationen auf die Vernichtung von Jüdinnen und Juden ausgelegt waren, belege ein erschreckendes Ausmaß an Geschichtsvergessenheit. »Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Der Senat wird ihr dafür keine Bühne bieten«, betonte Fecker.
Anfang August hatte die unabhängige Jury des Hannah-Arendt-Preises die russisch-amerikanische Person zur Preisträgerin der mit 10.000 Euro dotierten Ehrung auserkoren. Nach Ansicht der Jury gehört Gessen »zu den mutigsten Chronistinnen der Zeit«. Seit Jahren analysiere Gessen politische Machtspiele und totalitäre Tendenzen in der amerikanischen und russischen Gesellschaft ebenso wie den zivilen Ungehorsam und die Liebe zur Freiheit, hieß es.
Masha Gessen wurde 1967 in Moskau geboren und emigrierte 1981 in die USA. 1991 kehrte die Person für journalistische Arbeit nach Russland zurück. Sie ist in der Schwulen- und Lesben-Bewegung aktiv und ging 2013 wegen der zunehmenden Verfolgung dieser Bewegung in Russland wieder in die USA zurück. Zurzeit lebt sie in New York.
Der Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde 1994 ins Leben gerufen. Er erinnert an die in Hannover geborene deutsch-jüdische Politologin Hannah Arendt (1906-1975) und an deren Überzeugung, dass der Sinn von Politik Freiheit ist. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den ukrainischen Schriftsteller, Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan. epd