Trauer

»Seit Freitag ist nichts mehr, wie es war«

Gedenkgottesdienst am Sonntag im Würzburger Kiliansdom Foto: picture alliance/dpa

Eine eigentümliche Stille. Jeder, der Würzburg kennt, merkt, dass etwas anders ist. Selbst, wenn er tagelang keine Nachrichten gehört oder Zeitungen gelesen hätte. Die Straßenbahn rumpelt zwar vorbei, man hört Stimmen, Brunnen plätschern - aber diese Lebendigkeit, die sonst die Würzburger Innenstadt bei Sommerwetter prägt, sie ist weg. Eine ganze Stadt trauert um die drei Toten und bangt mit den Verletzten der brutalen Messerattacke vom Freitag.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Wie schwer diese Tat neben den Angehörigen der Toten und den vielen Verletzten die ganze Stadt getroffen hat, bringt Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) am Samstag in einem offenen Brief zum Ausdruck: »Ich habe gestern Abend geweint«, schreibt er darin. »Geweint um die Opfer und die Angehörigen«, aber auch »um unsere Stadt«. Bei einer Kranzniederlegung mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnt er am Sonntag davor, die Tat »reflexartig politisch zu instrumentalisieren«.

Vor Beginn der Gedenkfeier im Kiliansdom am Nachmittag herrscht in der Kathedrale die gleiche außergewöhnliche Stille wie vor der Tür. Es gibt fast keine Platzgespräche, die Menschen warten still darauf, dass das ökumenische Gedenken beginnt. Angehörige der Opfer sind auch dabei.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, der in Würzburg lebende Josef Schuster, sagt, in seiner Heimatstadt sei »seit vergangenem Freitag nichts mehr, wie es war«. Seine Gedanken sind bei den Opfern, den Angehörigen und allen, die diese schlimme Tat miterleben mussten.

Nun gelte es, »jeden Versuch abzuwehren, unsere Gesellschaft weiter zu spalten«, betont Schuster. So schlimm das Erlebte sei, so hoffe er, dass die Stadtgesellschaft dadurch »noch stärker zusammengeschweißt« werde.

Würzburgs katholischer Bischof Franz Jung sagt in seiner Predigt: »Die Hilflosigkeit führt uns an unsere Grenzen und zeigt uns unsere Endlichkeit.« Gerade in dieser Hilflosigkeit wollten die Kirchen »Präsenz zeigen«.

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, der in Würzburg lebende Josef Schuster, sagt, in seiner Heimatstadt sei »seit vergangenem Freitag nichts mehr, wie es war«.

Die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski sagt, manche Lasten im Leben seien derart schwer, »dass man darunter auseinanderbricht«. Der vergangene Freitag sei »gerade noch ein fröhlicher Nachmittag, an dem sich alle freuen, dass endlich wieder mehr Leben« trotz der Corona-Pandemie möglich ist: »Und dann ist plötzlich alles anders.« Bornowski dankt den Einsatzkräften und den Mitbürgern, die den Täter in Schach gehalten und damit noch Schlimmeres verhindert hätten.

Ministerpräsident Söder wirkt bei seiner kurzen Rede im Kiliansdom bewegt und angefasst: »Es tut so weh, es ist einfach unfassbar.« Er warnte davor, diese »hasserfüllte Tat«, die »die Angehörigen, die ganze Stadt und uns alle ins Herz« getroffen habe, mit Hass oder Rache zu beantworten. Klischees oder Vorverurteilungen würden den Opfern und Angehörigen nicht helfen, sondern nur noch weitere Wunden reißen: »Gut und Böse sind keine Frage von Religion oder Nationalität«, sagt Söder.

Die Ermittler stufen den Mann vorläufig als psychisch belasteten Einzeltäter ein. Sie prüfen aber auch ein mögliches islamistisches Motiv.

Die Stadtspitze hatte die Menschen am Wochenende gezielt zur Stille aufgefordert. »Wir möchten zu einem stillen Sonntag in der Stadt aufrufen«, sagte Oberbürgermeister Schuchardt. Daher werde im »Kiliani-Sommergarten, der als Ersatz für das wegen Corona abgesagte Volksfest derzeit am Mainufer stattfindet, am Sonntag auf »Musik, Werbung und Durchsagen« verzichtet. »Es gibt viel, was wir nun verarbeiten müssen, ein wenig Stille wird uns dabei helfen.«

Weshalb der 24-jährige Somalier am Freitag drei Frauen im Alter von 82, 49 und 24 Jahren in einem Kaufhaus mit einem Küchenmesser erstochen hat, ist nach wie vor unklar. Nach der Tat verletzte der Mann noch mehrere Personen teils schwer. Die Ermittler stufen den Mann vorläufig als psychisch belasteten Einzeltäter ein. Sie prüfen aber auch ein mögliches islamistisches Motiv.

Gedenken

»Wir werden uns immer erinnern«

Nina Bassat hat als Kind die Schoa überlebt und kam mit ihrer Mutter 1949 nach Australien. Ein Gespräch über den 27. Januar, die freigelassenen israelischen Geiseln und die Weisheit ihrer Mutter

von Katrin Richter  26.01.2025

USA

Musks Geste: Scharfe Verurteilung durch Senatorin

Dayna Polehanki spricht von einem Nazi-Gruß. Sie warnt davor, den reichen Trump-Berater auch nur in die Nähe des Weißen Hauses zu lassen

von Imanuel Marcus  26.01.2025

Debatte

Schuster: Heute würde ich als Jude nicht überall studieren wollen

Der Antisemitismus in Deutschland macht dem Präsidenten des Zentralrates der Juden zu schaffen. Er blickt sorgenvoll auf die Universitäten und Schulen

von Stefan Heinemeyer  25.01.2025

Berlin

Zehntausende bei »Lichtermeer« am Brandenburger Tor

Mit Lampen und Leuchten wollen Menschen in Berlin ein Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Einer der Organisatoren richtet einen klaren Appell an Friedrich Merz

 25.01.2025

Oldenburg

27-Jähriger gesteht Anschlag auf Synagoge

Nachdem der Fall bei »Aktenzeichen XY ... Ungelöst« behandelt wurde, bekam die Polizei den entscheidenden Hinweis

 25.01.2025

Bundestagswahl

Elon Musk hält Rede bei AfD-Wahlkampfauftakt

Musk behauptete, es gebe »zu viel Fokus auf vergangener Schuld« und bekam dafür Jubel von der in weiten Teilen rechtsextremen Partei. Die Gedenkstätte Yad Vashem widerspricht

 26.01.2025 Aktualisiert

Bundestagswahl

Yad-Vashem-Leiter: Regierungsbeteiligung der AfD wäre Schande für Deutschland

Das beste Mittel gegen die AfD sei Bildung

 24.01.2025

Essay

Jede Geisel, die nach Hause zurückkehrt, steht für unser aller Überleben

Das Versprechen »Sicherheit« konnte Israel am 7. Oktober nicht halten. Umso wichtiger ist nun das Versprechen »Nie wieder wehrlos«

von Esther Schapira  24.01.2025

USA

Nach Hitlergruß-ähnlicher Geste: Musk legt mit Nazi-Wortspiel noch mal nach

Die Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League reagiert mit klaren Worten

 23.01.2025