Schimon Peres war ein Großer. Seine Größe war nicht durch seine Verdienste, Bildung und Siege gekennzeichnet, sondern auch und nicht zuletzt durch seine Fähigkeit, würdevoll zu verlieren – und wieder aufzustehen. Seine einst zahlreichen, später weniger zahlreichen Gegner hatten ihm das Etikett »Verlierer« angeheftet. Und, ja, er hat oft verloren. Aber am Ende gewonnen.
Peres hat deshalb gewonnen, weil er, mindestens ebenso wie Yitzhak Rabin, verstand, dass Leben und Überleben ohne Versöhnung weder möglich noch lebenswert ist. Das erkennt man vor allem an zwei großen Themen: Israels Verhältnis zu den Palästinensern und das zu Deutschland. In beiden Fällen begann er als »Falke«, wurde aber eine »Taube«, ein kompromissbereiter Brückenbauer.
versöhnung Als Gesandter David Ben Gurions sorgte er 1957 für den Beginn der israelisch-deutschen Freundschaft. Dank Peres’ Engagement weitete sie sich auch auf Israels Gesellschaft aus. Wer hat umgekehrt in Deutschland Gleiches vermocht? Zumindest war der Erfolg weniger durchschlagend, denn hier überwiegt Distanz zu Israel. Als Peres 2010 als Staatspräsident den Bundestag besuchte, blieben einige Abgeordnete demonstrativ sitzen. Sie brüskierten nicht Peres, sondern den Geist der Versöhnung.
In Israel überschritt Peres die Grenzen der politischen Lager. Begonnen hatte er als Sozialist, der sich vom »Erzfeind« Cherut und Begin absetzte, dann schloss er auch mit diesen Gegnern Frieden. Aus Parteifeinden wurden Partner. Als einstiger Sozialist lehnte er ebenso Religion zunächst ab. Später baute er hier ebenfalls Brücken zwischen religiösen und nichtreligiösen Juden. Gleiches gilt bezüglich des jüdischen Charakters des Staates. Israel solle, müsse und werde jüdisch bleiben, war sein Credo. Aber auch dies: Arabische Staatsbürger müssten ins Wir-Israelis-Gefühl eingeschlossen werden.
Schimon Peres ist tot, sein Geist lebt, seine Visionen leben.
Der Autor ist Historiker. Von ihm erschienen unter anderem »Israel«, »Wem gehört das Heilige Land?« und »Zum Weltfrieden«.